Zum 150. Todestag von Heinrich Heine - Teil 3

Heine und Frankreich

"Paris ist das neue Jerusalem". Mit diesen Worten verabschiedete sich Heinrich Heine im Mai 1831 von Deutschland. Er konnte die geistige Enge und die drastischen Maßnahmen der Zensurbehörde in seinem Heimatland nicht länger ertragen.

Heine hatte sich auf seinen Paris-Aufenthalt gut vorbereitet; er beherrschte ausreichend die französische Sprache und war mit den politischen und sozialen Verhältnissen wohl vertraut.

Heine kannte die sozialrevolutionären Theorien von Etienne Cabet, Auguste Blanqui oder Henri de Saint Simon, mit denen er sich intensiv beschäftigte. In den Salons der Pariser Gesellschaft traf er Schriftsteller wie Victor Hugo, Gérard de Nerval, Alexandre Dumas, Honoré de Balzac oder Musiker wie Hector Berlioz, Franz Liszt oder Frédéric Chopin.

Die Lehre des Saint Simonismus

Besonders faszinierte Heine die sozialrevolutionäre Konzeption des Adeligen Henri de Saint-Simon, der von 1760 bis 1825 lebte. Die Lehre des Saint Simonismus wurde zum "neuen Evangelium".

Dieses "dritte Testament" rückte den produktiv arbeitenden Menschen in den Mittelpunkt, der in den Jahren der Restauration seit 1815 in Frankreich zunehmend verarmt war. Unter der Herrschaft von König Karl X. erhielten die Adeligen Entschädigungen für ihre Güter; während zahlreiche Menschen ihre Existenzgrundlage verloren.

Gegen diesen Missstand wandte sich Saint-Simon: Er forderte eine "Aufhebung aller Vorrechte durch Geburt" und "die moralische, intellektuelle und physische Verbesserung der zahlreichsten und ärmsten Klasse".

"Emanzipation des Fleisches"

Den Gegensatz zwischen einer herrschenden Klasse und dem Elend des Proletariats hatte Heine bereits während einer Englandreise erlebt. Seine Eindrücke nehmen Friedrich Engels Bericht über "die Lage der arbeitenden Klasse in England" vorweg.

Neben Saint-Simons Sozialkritik interessierte Heines dessen Programm einer "Emanzipation des Fleisches". Ähnlich wie der deutsche Philosoph Ludwig Feuerbach plädierte Saint-Simon für ein Ausleben der Sinnlichkeit; für eine freie Sexualität. Die "Jenseitsreligion" des Christentums, das den Leib als Diener des Geistigen betrachtete, sollte durch eine "Diesseitsreligion" ersetzt werden.

Kritik an der Romantik

Neben seiner lyrischen Produktion verdiente Heine seinen Lebensunterhalt mit den Berichten über die "französischen" Zustände, die er in angesehenen deutschen Zeitungen publizierte. Heine berichtete über politische Ereignisse, verfasste Sozialreportagen und veröffentlichte Schilderungen aktueller Kunstausstellungen oder Kritiken französischer Theaterstücke, die von der preußischen Zensur häufig verboten wurden.

Sein Hauptanliegen bestand in einer Vermittlertätigkeit: Der deutsche Leser sollte nähere Kenntnis von seinem Nachbarland erhalten, das französische Publikum die deutsche Literatur und Philosophie besser kennen lernen.

Um seinem zweiten Anliegen nachzukommen, schrieb er die einführende Schrift "Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland". 1836 folgte die Studie "Die romantische Schule", die eine weit reichende Kritik der Romantik enthält. Heine warf dabei der Romantik vor, dass sie reaktionäre politische Tendenzen in Deutschland bestärke.

Mehr zu Heinrich Heine in oe1.ORF.at:
Das Herz des Dichters
Heine - der freie Geist
Heine - der Kämpfer


Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 13. Februar, bis Donnerstag, 16. Februar 2006, 9:30 Uhr

Download-Tipp
Ö1 Club-Mitglieder können die Sendereihe "Radiokolleg" gesammelt jeweils am Donnerstag nach Ende der Ausstrahlung im Download-Bereich herunterladen.

Buch-Tipps
Heinrich Heine, "Sämtliche Gedichte in einem Band", Insel, ISBN 3458172750

Heinrich Heine, "Deutschland. Ein Wintermärchen", dtv, ISBN 3423026324

Heinrich Heine, "Das Buch der Lieder", Anaconda, ISBN 3938484489

Jan-Christoph Hauschild, "Heinrich Heine", dtv Band 3

Jan-Christoph Hauschild/Michael Werner: "Heinrich Heine", dtv, ISBN 3423310588

Bernd Kortländer, "Heinrich Heine", Reclam, ISBN 3150176387

Joseph A. Kruse, "Heinrich Heine. Leben. Werk. Wirkung.", Suhrkamp Basis Biographie, ISBN 3518182072

Christian Liedtke, "Heinrich Heine", Rowohlts Monographien, ISBN 3499506858

Ludwig Marcuse, "Heinrich Heine Melancholiker, Streiter in Marx, Epikureer", Diogenes, ISBN 3257065051

Ralf Schnell, "Heinrich Heine zur Einführung", Junius Verlag, ISBN 388506930