Thomas Bernhards Roman als Hörspiel

Beton

Der erste Satz. Viele Autoren sagen, er sei der schwierigste überhaupt. Auch Rudolf, Thomas Bernhards Protagonist "Beton", hat so seine Probleme damit. Sein Monolog wird in der Hörspiel-Fassung des Romans von Peter Simonischek gesprochen.

Es ist die Unfähigkeit, den ersten Satz einer Bahn brechenden Studie über den Komponisten Mendelssohn-Bartholdy zu schreiben, was der Thomas-Bernhard-Figur Rudolf - seinen Namen erfährt man erst ganz am Schluss - zu schaffen macht. Schon zehn Jahre ist er mit den Vorbereitungen beschäftigt. Die meiste Zeit davon wurde benötigt, um alles genau jenen Gesetzen unterzuordnen, die schon immer Voraussetzung waren für einen Arbeitsbeginn.

Doch kaum hat er die unbedingt nötigen Bücher von den nicht unbedingt benötigten geschieden, da kommt auch schon seine Schwester - eine erfolgreiche Realitätenvermittlerin (vulgo Immobilienmaklerin) mit der ihn zur Weißglut bringenden rhetorischen Frage: "Ich störe doch nicht?" Sie erscheint als Ausbund an Geistferne, als ein Teil jener Spezies, die alles daran setzt, jede Geistesanstrengung aufzuspüren, um sie im Keim zu ersticken.

Wütende Suada

Peter Simonischek räsoniert als Rudolf aus allen möglichen Positionen im Stereobild. In seinem 80-minütigen Monolog hadert er mit allem: mit sich, der Welt und seinem kränkelnden Körper. Nur eines entgeht seiner wütenden Suada: die chemische Industrie, die seine Medikamente produziert. "Ihr verdanke ich seit dreißig Jahren buchstäblich alles."

Die aus Wut und Verzweiflung geborene Komik und die perverse Idylle der Weltverachtung bekommt Risse, als Rudolf in der Gestalt der jungen Palma, deren Mann sich kurz zuvor aus dem Hotelfenster gestürzt hatte, wirklich Existenz vernichtendem Unglück begegnet. Von den Zumutungen der Selbstständigkeit war das Paar völlig überfordert - es hatte zuvor einen schlecht gehenden Elektroladen eröffnet und er hatte die finalen Konsequenzen gezogen. Bleiben wird von ihm nur der Name, gemeißelt in eine in Beton gefasste Grabplatte. Bald wird auch der Name seiner Frau daneben stehen. "Suicidio", sagt der Friedhofspförtner. Fluchtartig verlässt Rudolf den Friedhof wie einer, der voller Entsetzen seinen Doppelgänger gesehen hat.

Konsequente Innenperspektive

Im Gegensatz zur Hörspielfassung von Thomas Bernhards "Das Kalkwerk" funktioniert Ulrich Gerhardts Methode der funkmonologischen Aneignung des Textes unter anderem deswegen, weil sie, kaum durch äußere Handlung abgelenkt, konsequent die Innenperspektive des Ich-Erzählers wahrt. Nur zum Schluss wird diese mit einem beiläufigen "schreibt Rudolf" durchbrochen, und man fragt sich: Wer spricht? Der, dessen Text Peter Simonischek 80 Minuten lang hörbar gemacht hat: der Autor Thomas Bernhard.

Text: Jochen Meißner, seine Rezension erschien in der deutschen "Funkkorrespondenz"

Mehr zu Thomas Bernhard in oe1.ORF.at

Hör-Tipps
Hörspielstudio, "Beton" von Thomas Bernhard, Dienstag, 7. Februar 2006, 20:31 Uhr

Mehr dazu in Ö1 Programm

Radiogeschichten, Mittwoch, 8. Februar 2006, 11:40 Uhr, "Das Verbrechen eines Innsbrucker Kaufmannssohnes" von Thomas Bernhard

Radiokolleg, Montag, 6. Februar, bis Donnerstag, 9. Februar 2006, 9:30 Uhr

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Download-Tipp
Ö1 Club-Mitglieder können die Sendereihe "Radiokolleg" gesammelt jeweils am Donnerstag nach Ende der Ausstrahlung im Download-Bereich herunterladen.

CD-Tipp
"Thomas Bernhard 1931 - 1989. Das Porträt", ORF-CD 700,
Ö1 Club-Mitglieder erhalten im ORF-Shop 10 Prozent Ermäßigung.

Veranstaltungs-Tipp
Walter Schmidinger liest Thomas Bernhard, Wiener Burgtheater, Donnerstag, 9. Februar 2006, 20:00 Uhr
Ö1 Club-Mitglieder erhalten ermäßigten Eintritt (10 Prozent).

Link
thomasbernhard.at