Eine bedeutende Sängerin und Pädagogin
Hilde Zadek zu Gast
In den 1950er Jahren war sie eine der wichtigsten Säulen der Wiener Staatsoper, als Pädagogin ist sie nun seit über 40 Jahren tätig: Hilde Zadek. Auch heute denkt die 88-jährige Künstlerin nicht ans Aufhören - und präsentiert den jungen US-Tenor Dimitri Pittas.
8. April 2017, 21:58
Die am 17. Dezember 1917 in Bromberg geborene und in Stettin aufgewachsene Sopranistin Hilde Zadek war nicht nur eine der wichtigsten Säulen der Wiener Staatsoper in den Nachkriegsjahren, sondern ist bis heute eine der besten Gesangspädagoginnen. Mit ihrer Intelligenz und ihrem unerschütterlichen Optimismus strahlt die heute 88-jährige Künstlerin jene Ruhe aus, die sie bei ihren Schülern so gefragt macht.
"Für mich ist das Allerwichtigste, dass man zu dem Sänger, den man unterrichtet, eine innere Beziehung aufbaut, dass man ihn mag, dass man ihn auch menschlich akzeptiert! Dass man außerdem noch Bescheid wissen muss über die Stimme, über die Atmung und die Stütze, ist eine zweite Sache."
Über 40 Jahre Pädagogin
"Wir werden auch nicht als Gesangslehrer geboren, wir lernen das. Die ersten Jahre als Lehrer versucht man, eine Kopie von sich selbst zu schaffen. Und dies ist das Allerschlimmste und Gefährlichste, was man machen kann. Um das zu begreifen, benötigt man einige Jahre. Und die armen Studenten müssen es ausbaden."
In der Zwischenzeit unterricht Hilde Zadek seit über 40 Jahren und denkt nicht daran, sich zur Ruhe zu setzen. "Man ist nur so alt, wie man sich fühlt. Und ich fühle mich wirklich nicht wie 88."
Zadeks Lebensmotto
Hilde Zadek wurde im heutigen Polen, damals Deutschland, geboren, verließ mit 16 Jahren auf Grund der Rassenpolitik des Dritten Reiches ihre Heimat und kam nach Palästina, wo sie als Kinderpflegerin zu arbeiten begann.
"Ich kam in ein Land, wo ich die Sprache nicht konnte, niemanden kannte und es war für mich eine gewaltige Umstellung. Aber mein Lebensmotto, dem ich bis heute treu geblieben bin, lautet: ich habe ein halbvolles oder ein halbleeres Glas. Ich habe mich immer für das halbvolle Glas entschieden."
Ausbildung bei den besten Lehrern
Es war eine sehr schwere Zeit: Hilde Zadek gelang es, ihre Eltern aus Deutschland zu retten und nach Palästina zu holen, wo die Familie mit zwei Schwestern ein winziges Schuhgeschäft eröffnete. "Dieses Geschäft hat unheimlich floriert, denn alle Mütter, deren Kinder ich gesund gepflegt hatte, kamen in unser Geschäft, um Schuhe für ihre Kinder zu kaufen. Dadurch konnten wir schon 1940 in ein großes, feines Geschäft in der Hauptstraße von Jerusalem umziehen."
"In diesem Jahr begann ich, wieder an Singen zu denken. Bis dahin war Musik für mich überhaupt nicht vorhanden. Es war, wie wenn irgendeine Klappe in meiner Seele zugefallen wäre. Und ich begann Musik zu studieren. Ich hatte das große Glück, dass durch die politischen Umstände in Europa die besten Lehrer, die man sich vorstellen kann, in Israel unterrichteten."
Durch Salmhofer nach Wien
1945 kam Hilde Zadek mit einem Stipendium nach Zürich, und hatte das Glück, Franz Salmhofer, den damaligen Staatsopern-Direktor, der seinen Urlaub in der Schweiz verbrachte, vorsingen zu dürfen. Salmhofer lud die Sopranistin nach Wien ein, doch es dauerte bis 1947, ehe Hilde Zadek die nötigen Papiere für eine Einreise nach Österreich beisammen hatte.
"Bis 1945 habe ich nie eine Oper gesehen. Meine erste Oper, die ich in Zürich besuchte, war 'Tristan und Isolde' mit Anny Konetzni und Set Svanholm", erinnert sich Zadek.
Debüt mit Verdis "Aida"
Am 26. Jänner 1947 erreichte Hilde Zadek Wien und ging zu Salmhofer in die Staatsoper, die damals im Theater an der Wien spielte. "Herr Direktor, hier bin ich, was singe ich?" Salmhofer blätterte in seinem Buch und bot ihr die "Aida" für Anfang Februar an.
"Ich hatte bis dahin keinen Ton aus 'Aida' gesungen, diese Oper auch noch nie gehört, keine Platte, nichts. Ich bin damals auch noch nie auf einer Bühne gestanden. In fünf Tagen lernte ich die Partie und habe am 3. Februar 1947 die Aida gesungen, ohne Probe! Und wenn ich ganz ehrlich sein soll, dann habe ich nie wieder in den 168 'Aida'-Vorstellungen, in denen ich insgesamt aufgetreten bin, so schön gesungen wie damals!"
Seit 52 Jahren in Wien
Ab 1948 gastierte Hilde Zadek an den großen Opernhäusern in der ganzen Welt, ehe sie 1971 ihren Abschied von der Wiener Staatsoper nahm.
Obwohl die Familie von Hilde Zadek nach dem Krieg in die USA auswanderte, blieb sie in Wien und fand hier ihre neue Heimat. "Ich habe mich in Wien glücklich gefühlt. Ich liebe Wien als Stadt, ich habe das Publikum geliebt, ich liebe die Menschen hier und ich lebe nun seit 52 Jahren in derselben Wohnung, ich fühle mich hier wohl."
US-Tenor Dimitri Pittas präsentiert
Im Rahmen des Gespräches, das Peter Dusek im Gustav-Mahler-Saal der Wiener Staatsoper am 22. Mai vergangenen Jahres führte, stellte Hilde Zadek auch einen Schüler vor:
Den jungen amerikanischen Tenor Dimitri Pittas. Er ist Preisträger der Internationalen George London Foundation, dessen Wiener Zweig dem Künstler einen Studienaufenthalt bei Hilde Zadek in Wien ermöglichte.
Hör-Tipp
Opernwerkstatt, Sonntag, 5. Februar 2006, 15:06 Uhr
Buch-Tipp
Volkmar Parschalk (Hg.), "Die Zeit, die ist ein sonderbar Ding. Hilde Zadek - Mein Leben", Böhlau, ISBN 3-205-99362-4
Links
Böhlau Verlag
Freunde der Wiener Staatsoper
George London Foundation for Singers
Wiener Staatsoper