Afghanische Kunstschätze wieder im Museum

Wiedereröffnung des Nationalmuseums Kabul

Als die Taliban in Afghanistan reihenweise Kunstwerke zerstörten, ging ein Aufschrei durch die Welt. Nun stellt sich heraus, dass viele Kunstschätze rechtzeitig versteckt werden konnten. So hat das Nationalmuseum Afghanistan wieder was herzuzeigen.

"Alle Buddha-Statuen wurden zerstört. Die Arbeit wurde gestern beendet, teilten die fundamentalistischen Taliban mit." Das war 2001, vor fast genau fünf Jahren, in den Nachrichten zu hören. Sicher der Höhepunkt in der Fülle von Schreckensmeldungen, die damals über die Vernichtung wertvoller Kunstschätze in Afghanistan um die Welt gegangen sind. 25 Jahre Bürgerkrieg, so musste man annehmen, haben nicht nur 1,5 Millionen Menschen das Leben gekostet, sondern dem Land auch sein einzigartiges Kulturerbe geraubt.

Die kostbarsten Schätze der archäologischen Sammlung des Nationalmuseums in Kabul - Jahrtausende alte Elfenbeinschnitzereien und Skulpturen, der Grabschatz einer Kuschan-Prinzessin, ca. 20.000 Einzelstücke aus purem Gold, all das schien unrettbar verloren. Zerstört durch Bomben und willkürliche Sabotageakte. Oder von professionellen Banden geplündert und am internationalen Schwarzmarkt verkauft.

Verloren geglaubte Schätze tauchen wieder auf

Als die amerikanisch-österreichische Kunsthistorikern Deborah Klimburg-Salter vergangenes Jahr nach Kabul gerufen wurde, befürchtete sie das Schlimmste. Gemeinsam mit Kollegen vor Ort sollte sie prüfen, was von den rund 200.000 Objekten und Schriftdokumenten, die das Nationalmuseum von Kabul einmal beherbergt hat, noch übrig geblieben ist. Eine Sisyphusarbeit, denn durch einen Brand in den 1990er Jahren sind die gesamten Archive und Inventarlisten verbrannt.

Zwei Jahre dauert die Bestandsaufnahme des Inventars jetzt schon, und sie ist bei weitem noch nicht abgeschlossen. Aber das ist die eigentlich gute Nachricht, denn je mehr Kisten und Lagerräume, in denen die Kunstschätze während des Krieges verstaut waren, geöffnet werden, desto mehr verloren geglaubte Schätze tauchen auch wieder auf. Wie zum Beispiel eine 2.500 Jahre alte "Reinkarnation Buddhas", aus ungebranntem Lehm, die Archäologen auf der ganzen Welt als verloren gemeldet haben.

Dass die Statue jetzt unbeschadet doch wieder aufgetaucht ist, grenzt an ein kleines Wunder, sagt die Kunsthistorikerin Klimburg-Salter, ein Wunder, das nur durch den beispiellosen Einsatz des Museumspersonals möglich war.

Unter Einsatz des eigenen Lebens

Die Mitarbeiter des Museums haben Tausende Objekte eigenhändig an verschiedenen Orten der Stadt sicher weggesperrt und persönlich bewacht. Eine mitunter lebensgefährliche Angelegenheit.

"Ein Objekt der Sammlung könnte für 100.000 bis 400.000 Euro am Kunstmarkt verkauft werden", erzählt Klimburg-Salter. Afghanistan war schließlich ein Land in tiefster Armut. Die Gefahr dass jemand diese Objekte stehlen will, war enorm groß. "Deshalb ist jeder, der einen Schlüssel zum Lagerort hat, extrem gefährdet", so Klimburg-Salter weiter. "Ich finde es immer noch erstaunlich, dass alle, die einen Schlüssel hatten, überlebt haben. Unter den Taliban freilich waren sie in Gefahr, ermordet zu werden, einfach weil sie Sachen beschützt haben, die die Taliban zerstört sehen wollten."

Florierender Handel mit Diebesgut

War das weltweite Entsetzen, mit dem Archäologen in den vergangenen Jahren immer wieder den Verlust der kostbaren Schätze in Kabul beklagt haben, also gelogen? Alles ein Irrtum? Alles falsch? Das kann man noch nicht mit Sicherheit sagen, meint die Kunsthistorikerin Klimburg-Salter. Aber einige Verlustmeldungen werden mit Sicherheit revidiert werden müssen. Dass die wissenschaftliche Gemeinde nahezu die gesamte Sammlung zerstört geglaubt hat, ist kein Zufall, sondern vielmehr Teil des Wunderwerks, das die Museumsangestellten vollbracht haben. Sie wussten, dass viele der Meldungen über verloren gegangene Objekte nicht stimmen, haben sie aber bewusst nicht korrigiert.

An Versuchen, die Sammlung zu stehlen, hat es jedenfalls nicht gemangelt, denn der Verkauf von prähistorischen Statuen und Gefäßen ist neben Opium eine der wichtigsten Einnahmequelle im der Region. Bis heute werden vermeintlich neue archäologische Funde aus Afghanistan am internationalen Kunstmarkt angeboten, die sich aber nach genaueren Recherchen als Diebesgut aus der Zeit des afghanischen Bürgerkriegs herausstellen. Aber dem weit verbreiteten Gerücht, dass durch den Handel mit gestohlenen Kunstwerken Waffen für den Bürgerkrieg gekauft wurden, will die Kunsthistorikern Deborah Klimburg-Salter nicht glauben, denn zumindest für die Afghanen selbst war und ist die Plünderung des nationalen Erbes tabu.

"Unter gebildeten Klassen ist die alte Kunst von großem Interesse", meint sie. "Man kann mit Sicherheit sagen, dass die Afghanen nie an der archäologischen Plünderung teilgenommen haben."

Der Anfang ist gemacht

Seit Dezember 2004 ist zumindest die Fassade und ein Teil der Räume des Nationalmuseums in Kabul fertig saniert und für Besucher geöffnet. Und wenn auch ein Teil der Sammlung am internationalen Schwarzmarkt zurückgekauft werden musste, um die Ausstellungsräume zu füllen, so liegt die viel größere Herausforderung jetzt darin, die im Land verbliebenen Stücke der Sammlung wieder zusammenzutragen, und das Museum mit klimatisierten Lagerräumen auszustatten, in denen die kostbaren Ausgrabungsfunde aufbewahrt und vor dem Verfall geschützt werden können. Doch dafür fehlt das Geld. Die Museumsangestellten arbeiten ohnehin schon für einen Hungerlohn. An eine technische Aufrüstung ist da nicht zu denken. Ohne internationale Hilfe wird das also nicht gehen.

"Die Leute arbeiten für fast nix. Man kann nur hoffen dass die westliche Welt Afghanistan nicht vergisst", hofft Deborah Klimburg-Salter. "Es gibt viel Elend auf der Erde, aber Afghanistan ist sicher eines der ärmsten und schwierigsten Länder der Welt und es ist in unserem Interesse, ihm beim Aufbau zu helfen."

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Diagonal, Samstag, 4. Februar 2006, 17:05 Uhr

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