Der Kampf gegen eine Tradition

Weibliche Genitalverstümmelung

Der 6. Februar ist der "Internationale Tag der Null-Toleranz gegen weibliche Genitalverstümmelung". Menschenrechts- und Frauenrechts-Organisationen setzten sich dagegen ein, dass jährlich bis zu zwei Millionen Mädchen auf grausame Art verstümmelt werden.

Die Tradition der weiblichen Genitalverstümmelung, deren Ursprung sich im Dunkel der Geschichte verliert, wird oft mit dem Kürzel "FGM" (Female Genital Mutilation) bezeichnet.

Manipulationen am menschlichen Körper

Die Anthropologin Sylvia Kirchengast von der Universität Wien weist darauf hin, dass es viele Arten der Manipulation am menschlichen Körper gibt, angefangen von Schädeldeformationen im Altertum bis zu kosmetischen Operationen in unserer Zeit, einschließlich Brustvergrößerung, Piercing und Fettabsaugen.

Veränderungen, welche die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen, sind eher ungewöhnlich - dennoch werden Genitalverstümmelungen an Mädchen und Frauen in vielen Ländern der Erde vorgenommen.

Fast überall verboten

Man unterscheidet drei Hauptformen, die von milden bis zu sehr drastischen Eingriffen reichen. Letztere haben gravierende physische und psychische Folgen, die das tägliche Leben und die Sexualität der Frauen massiv beeinträchtigen.

Am häufigsten ist FGM in afrikanischen Ländern am südlichen Rand der Sahara, der Sahel-Zone, ebenso im Niltal sowie in Teilen Zentral- und Westafrikas. In fast allen Ländern ist dieser Brauch gesetzlich verboten oder zumindest eingeschränkt, meist mit Strafen belegt. Dennoch werden verschiedene Formen der Verstümmelung weiterhin privat und meist unter unhygienischen Bedingungen durchgeführt.

Alternativen aufzeigen

Eine Kontrolle ist nur schwer möglich, berichtet Dr. Nisrin Elsharif, eine junge Ärztin aus dem Sudan. Sie hat im Rahmen lokaler Dorf-Entwicklungsprojekte Aufklärungsarbeit gegen die Verstümmelung geleistet.

Es sei wichtig, den Frauen und vor allem den Beschneiderinnen wirtschaftliche Alternativen zu bieten, betont Etenesh Hadis, die Leiterin der Afrikanischen Frauenorganisation in Wien. Sie stammt aus Äthiopien, wo FGM ebenfalls eine weit verbreitete Sitte ist.

Gesellschaftliches Tabu

Die Millenniums-Entwicklungsziele der UNO schließen Armutsbekämpfung und Alphabetisierung ein, um weibliche Selbstbestimmung zu fördern und so auch ein Umdenken bei FGM zu bewirken. Diese frauenfeindliche Tradition wird paradoxerweise oft von Frauen der Familie hochgehalten, unter anderem weil man fürchtet, dass unbeschnittene Töchter gesellschaftlich ausgegrenzt werden und keinen Ehemann finden.

Erfreulich ist aber, dass immer mehr junge Männer und Frauen, zumindest im urbanen Bereich, FGM ablehnen, weil sie sich über gesundheitliche und sexuelle Beeinträchtigungen im Klaren sind.

Keine religiösen Wurzeln

FGM gilt als Tabu-Thema. Es ist kein Gebot von Religionen, die in den betroffenen Gebieten verbreitet sind: weder der Islam, noch das Christentum bzw. die Koptische Kirche, noch das Judentum (in Äthiopien) schreiben diese Praxis vor.

Auch die afrikanischen Natur-Religionen können nicht als Verursacher betrachtet werden: Sylvia Kirchengast weist darauf hin, dass sich hochrangige Vertreter aller Religionen gegen diese Sitte wenden. In Wien haben islamische Vereinigungen Aufklärungsveranstaltungen gegen FGM abgehalten.

In Österreich sind alle Formen weiblicher Beschneidung gesetzlich verboten; sie stellen eine schwere Körperverletzung dar. Ähnliche Gesetze gibt es in fast allen europäischen Ländern, um Frauen und Mädchen aus Migrantenpopulationen vor der Verstümmelung zu schützen.

Tipp
Beratungsstelle für Frauengesundheit und FGM, Afro-Asiatisches Institut, 1090 Wien, Türkenstraße 3, Montag bis Freitag zwischen 9:00 und 17:00 Uhr kostenlose Beratung, Tel: 01/ 319 26 93

Download-Tipp
Ö1 Club-Mitglieder können die Sendung "Dimensionen" vom Donnerstag, 2. Februar 2006, 19:05 Uhr zum Thema weibliche Genitalverstümmelung nach der Ausstrahlung 30 Tage lang im Download-Bereich herunterladen.

Links
Afrikanische Frauenorganisation, Wien
Chance für Frauen
Fraueninitiative bikulturelle Ehen und Lebensgemeinschaften
Afrikaner in Wien