Drogen, Waffen, Menschenhandel...
Das Schwarzbuch des globalisierten Verbrechens
Die Welt mag zum globalen Dorf geschrumpft sein, sie ist für viele immer noch groß genug, um die Spielregeln zu brechen und trotzdem im Spiel zu bleiben. Moises Naim ruft in seinem Buch zum Widerstand gegen das globalisierte Verbrechen auf.
8. April 2017, 21:58
Das Erstaunliche an der Informationsgesellschaft ist ihre Fähigkeit, von der Menge an negativem Wissen, mit der sie täglich konfrontiert wird, im Großen und Ganzen unbeeindruckt zu bleiben. Im Wissensmanagement gilt, dass negatives Wissen besser ist als positives, schließlich hat man schon von klein auf gelernt, dass man aus Schaden klug wird.
Seit wir aber nicht mehr regional, nicht einmal national, sondern global denken sollen, können wir aus Fehlern nicht mehr lernen, denn alles, was falsch läuft, läuft weltumspannend falsch. Und hier schließt sich der Kreis, denn das Unüberschaubare wird als nicht mehr als reparabel empfunden. Man lässt sich davon eben nicht beeindrucken. Auch nicht, wenn einer der besten Kenner globaler Wirtschaftsprozesse, der Venezolaner Moises Naim, in seinem "Schwarzbuch des globalisierten Verbrechens" deutlich macht, dass das Gute offenbar nicht ohne das Böse zu existieren imstande ist.
Illegale Parallelmärkte
Gut sind für den ehemaligen Direktor der Weltbank Moises Naim der freie Warenverkehr, durchlässige Grenzen und geringe staatliche Reglementierungen. Böse ist die Tatsache, dass Freiheit auch bedeuten kann, Profite auf illegalem Weg zu erwirtschaften. Das ist nicht neu. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass das organisierte Verbrechen spätestens seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine überregional agierende Wirtschaftsmacht ist. Drogen-, Waffen und Menschenhandel oder Geldwäsche existieren, seit und weil es einen Markt dafür gibt. Und diesen Markt gibt es parallel zu den legalen Märkten, nicht irgendwo im Untergrund.
Wie ist eine Frau zu beurteilen, die ihrer mittellosen Familie in Albanien oder Nigeria zu einem gewissen Wohlstand verhilft, indem sie illegal in ein anderes Land einwandert und dort auf dem Straßenstrich arbeitet oder Imitate von Markenartikeln verkauft? Und wie sind Banker in Manhattan oder London zu beurteilen, die hohe Jahresprämien kassieren, weil sie ihre Tresore mit den Einlagen wohlhabender Kunden gefüllt haben, die sich nichts zuschulden kommen ließen, außer dass ihre einzige offizielle Einnahmequelle ein Regierungsamt in einem anderen Staat ist?
Fließende Grenzen
Moises Naim spricht von einem Kriegszustand, er spricht von Kriegen, die wir verlieren, wobei mit "wir" jener Teil der Gesellschaft gemeint ist, der sich an Gesetze und moralische Regeln hält. Aber genau da beginnt ja das Dilemma, denn wenn es eine global handelnde illegale Ökonomie gibt, die Hunderte Milliarden Euro erwirtschaftet, kann man sich nicht auf eine Hand voll Drogenhändler, Waffenschieber, Markenfälscher oder Schlepper ausreden. Ein solcher Markt braucht Abnehmer, Handlanger, Strohmänner, viele kleine Profiteure, die größtenteils zum so genannten guten Teil der Gesellschaft gehören. Die Grenzen sind also fließend.
550 kriminelle Gruppen operieren allein von Spanien aus. Das Problem ist, dass diese Gruppen dezentral organisiert sind und nicht mehr die klassische Mafiastruktur aufweisen, wonach ein fetter Krake seine Arme in alle Richtungen ausstreckt. Es ist eine als legal getarnte Illegalität, die sich da entwickelt hat, nicht selten gedeckt von hohen Beamten, Politikern und Managern.
Bedrohung per Glasfaserkabel
Wenn in Afghanistan etwa die Schlafmohnproduktion seit dem Sturz des Taliban-Regimes um ein Vielfaches zugenommen hat, was eine vermehrte Produktion von Opium und Heroin zur Folge hatte, dann nur deshalb, weil das Land auf internationalen Druck hin seine Wirtschaftsleistung steigern muss. Da in Afghanistan aber seit jeher kaum etwas anderes angebaut wird als Schlafmohn, sind die Bauern zum illegalen Handeln gezwungen. Wer will hier mit der Moralkeule um sich schlagen?
Abgesehen davon: Dichte Staatsgrenzen tragen nur wenig zur Sicherheit bei.
Geschlossene Grenzen sind sicher eine angenehme Vorstellung für Nationalisten, und sie entsprechen dem menschlichen Urinstinkt, sich durch Wälle und Gräben zu schützen. Aber wenn die Bedrohung durch Glasfaserkabel kommt und man durch den Schmuggel bestimmter Güter märchenhaft reich werden oder immerhin ein besseres Leben führen kann, dann ist es mehr als fraglich, ob weitgehend unilaterale Sicherheitsmaßnahmen ihren Zweck noch erfüllen können.
Guter Rat ist teuer
Die Welt mag zum globalen Dorf geschrumpft sein, sie ist für viele immer noch groß genug, um die Spielregeln zu brechen und trotzdem im Spiel zu bleiben. Es ist alles eine Frage der Tarnung und der Bezahlung.
Irgendwie haben wir das schon so oft gehört, dass wir nicht mehr darüber erschrecken. Und wenn uns dann noch gesagt wird, dass dagegen kein Kraut gewachsen ist, nehmen wir es hin wie der Raucher die Möglichkeit einer Herz-Kreislauferkrankung. Moises Naim weiß auch keinen rechten Rat, deshalb appelliert er an die Vernunft. Wir müssen es einfach nicht mehr wollen, sagt er, wir müssen die illegalen Märkte sprengen, indem wir uns ihre Produkte versagen. Hier ist aber wohl eher der Wunsch der Vater des Gedankens.
Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr
Download-Tipp
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Buch-Tipp
Moises Naim, "Das Schwarzbuch des globalisierten Verbrechens. Drogen, Waffen, Menschenhandel, Geldwäsche, Markenpiraterie", Piper Verlag, ISBN 3492047904