Ewiger Verlierer
Ludwig
Kunstvoll baut David Albahari in seinem Roman die Kulisse einer Schriftsteller-Feindschaft auf, deren wahre Gründe sich erst nach und nach enthüllen. David Albahari macht damit seinem Ruf als Virtuose der literarischen Paradoxie alle Ehre.
8. April 2017, 21:58
Gibt es einen kälteren, roheren, gemeineren Hass als den des erfolglosen Schriftstellers auf den erfolgreichen? Wohl kaum, wenn man David Albaharis jüngstem Roman glauben darf. Der in Kanada lebende Exil-Serbe lässt einen Belgrader Schriftsteller auf seine sogenannte Freundschaft mit dem Erfolgs-Romancier Ludwig zurückblicken. Auf 150 absatzlosen Seiten ergießt der Ich-Erzähler eine hasserfüllte Suada über den Rivalen, mit dem ihn einst so etwas wie eine homoerotisch gefärbte Beziehung zu verbinden schien.
Das Buch der Bücher
Noch immer erstaunt mich die Fähigkeit der Menschen zu hassen. Es verblüfft mich der Hass anderer auf mich, aber auch mein Hass auf andere. Hassen bringt nichts, hat Ludwig einmal gesagt, und dem stimme ich zu, selbst wenn ich ihn dafür hasse, dass er das gesagt hat.
Der Hass ist ein mächtiges Stimulans, und der Ich-Erzähler scheint allen Grund zu haben, den erfolgreichen Ludwig zu hassen. Hat ihm Ludwig doch die Idee für das "Buch der Bücher" geklaut, das er, der Erfolglose, stets zu schreiben gedacht hatte. Abend für Abend setzte der Ich-Erzähler, ein Anhänger des "Nouveau Roman", dem umjubelten Bestseller-Autor die Konzeption seines lange geplanten Erzählwerks auseinander, eines gewundenen Großromans im Stile Thomas Pynchons oder Jorge Luis Borges.
Du kannst darüber denken wie du willst, flüsterte ich ihm ins Ohr, aber die nichtlineare Erzählweise ist die einzige Möglichkeit, die einem Schriftsteller heute bleibt.
Ich kann nicht erwarten, erwiderte Ludwig, dass ein solches Buch erscheint, wann endlich schreibt es einer? (...) Keine Sorge, wollte ich ihm sagen, ich tue es, was natürlich gelogen war, weil ich nicht die leiseste Ahnung hatte, wie ich es anfangen, geschweige denn, wie ich es beenden sollte, und je mehr ich darüber redete, manchmal mehrere Stunden ohne Unterlass, umso weniger glaubte ich, dass ich es jemals schreiben würde.
Mehrere Konfliktpunkte
Dafür schreibt Ludwig das Buch. Er klaut es dem Freund gewissermaßen - und wird zum Weltstar.
Am Ende hat Ludwig nach all seinen boshaften Kommentaren zur Postmoderne einen Roman veröffentlicht, den die Kritik sofort den "Höhepunkt der postmodernen Literatur" nannte, und strich, gerade deswegen, einen Preis nach dem anderen ein, zunächst bei uns, dann in Europa und schließlich in der ganzen Welt. Kein einziges Mal während der Jahre seines Triumphzugs durch die Welt erwähnte Ludwig meinen Namen, er sagte nie, dass es einen Menschen gibt, dem er zu Dank verpflichtet ist, der aus ihm das gemacht hat, was er geworden ist.
Und das, behauptet der Ich-Erzähler, vermag er Ludwig nicht zu verzeihen. Es scheint noch andere Konfliktpunkte zwischen den einstigen Weggefährten zu geben: So dürfte Ludwig die Frau des Ich-Erzählers verführt haben, und das ausgerechnet, nachdem er den Rivalen in einer Fernseh-Debatte öffentlich gedemütigt hatte.
Doppelte Böden
Aber Obacht, David Albaharis Roman hat nicht einen, er hat gleich mehrere doppelte Böden. Nichts ist so, wie der Ich-Erzähler uns auf 150 Seiten weismachen möchte.
Ich möchte keinesfalls wie jemand klingen, der sich beklagt, jammert und mit seinem Schicksal hadert. Europa wird schließlich selbst feststellen, wer von uns beiden mehr geleistet hat, diesem Urteil kann ich ganz ruhig und gelassen entgegensehen.
Von wegen. Kunstvoll baut David Albahari in seinem Roman die Kulisse einer Schriftsteller-Feindschaft auf, deren wahre Gründe sich erst nach und nach enthüllen. Am Ende ist es mehr als fraglich, wer von den beiden Protagonisten der eigentliche Betrüger ist.
Das alles ist effektvoll gemacht und in jeder Hinsicht überzeugend. Dass man sich zwischendurch immer wieder ein wenig zu langweilen beginnt, weil einem die stets von neuem durchdeklinierten Vorwürfe des erfolglosen Nouveau-Roman-Adepten auf die Nerven gehen, gehört wohl mit zum Spiel. Wer durchhält, wird gegen Schluss hin mit einigen überraschenden Wendungen belohnt. David Albahari macht seinem Ruf als souveräner Vexierspieler, als Virtuose der literarischen Paradoxie auch in seinem jüngsten Werk alle Ehre.
"Das Buch der Woche" ist eine Aktion von Ö1 und Die Presse.
Hör-Tipps
Das Buch der Woche, Freitag, 11. September 2009, 16:55 Uhr
Ex libris, Sonntag, 13. September 2009, 18:15 Uhr
Mehr dazu in oe1.ORF.at
Buch-Tipp
David Albahari, "Ludwig", aus dem Serbischen übersetzt von Mirjana und Klaus Wittmann, Eichborn Verlag