Die Olympia-Mörder von München

Die Rächer

Für Steven Spielberg ist der Terroranschlag auf die israelischen Sportler in München die Basis für einen typischen Hollywood-Film, der israelische Journalist und Geheimdienstexperte Aaron Klein hat jedoch die Fakten akribisch recherchiert.

Nach dem Massaker bei den Olympischen Spielen in München hat Israel eine Anti-Terror-Kampagne mit dem alleinigen Ziel ausgeführt, weitere Terroranschläge durch Palästinenser in Europa zu verhindern, meint Aaron Klein: "Es ist ein Mythos, dass Israel sich an denjenigen gerächt hat, die das Massaker von München geplant und ausgeführt hatten."

Warnungen ignoriert

Im Februar 1970 verübten Palästinenser einen Anschlag auf israelische Flugpassagiere in München, töteten einen und verletzten elf von ihnen. Im Mai 1972, vier Monate vor den Olympischen Spielen, ermordeten japanische Terroristen im Auftrag einer palästinensischen Terrorgruppe auf dem Flughafen Lod bei Tel Aviv 25 Menschen. Dennoch waren sowohl die Israelis als auch die Deutschen völlig unvorbereitet auf Terroranschläge.

Die Sicherheitsbeamten ignorierten die Warnungen des Leiters der israelischen olympischen Delegation, dass es zu gefährlich sei, das israelische Team im Erdgeschoß eines für jedermann zugänglichen Gebäudes unterzubringen. Ein Zollbeamter am Flughafen Köln ließ zwei Araber samt ihren Waffen unbehelligt über die Grenze. Hätte er die Gepäckstücke geprüft, hätte er acht Kalaschnikows, Dutzende von Magazinen mit Patronen und zehn Handgranaten entdeckt. Mit Hilfe dieser Waffen wurden die elf Sportler als Geiseln genommen. Beim Versuch, die Geiseln zu befreien, haben die Deutschen völlig versagt. "Haarsträubend und unverzeihlich" seien ihre Fehler, die direkt zum Tod der israelischen Geiseln führten, schreibt Aaron Klein.

Wie ein Krimi

Deutschland hat rasch die Konsequenzen gezogen und gründete mit Israels Hilfe eine Spezialeinheit. Heute ist die Spezialeinheit des Bundesgrenzschutzes zur Bekämpfung des Terrorismus, die GSG 9, eine der besten Einheiten weltweit. Seit Jahren arbeiten der BND und der Mossad, sowie die militärische Aufklärung beider Länder sehr eng zusammen.

Aaron Klein, der glänzend schreibt, hat minutiös recherchiert. Wie ein Krimi lesen sich die Kapitel über die Liquidierungen durch den Mossad. Klein hat als Erster herausgefunden, dass auch der Terrorist Wadija Hadad, ein Weltmeister in Flugzeugentführungen, vom Mossad getötet wurde. Als Einziger erpresste Hadad von Israel 1968 erfolgreich die Freilassung palästinensischer Häftlinge. Im Oktober 1972 organisierte er die rätselhafte Lufthansa-Entführung, die zur Freilassung der drei überlebenden Terroristen der Münchner Olympischen Spiele führte.

Auftrag aus Regierungskreisen

Nicht der Mossad selbst, sondern ein Ministergremium unter Führung des Regierungschefs erteilte dem Geheimdienst die Genehmigung für Tötungsmissionen. Seit Golda Meir erlaubten alle Ministerpräsidenten solche Anfragen des Geheimdienstchefs. Doch manchmal strich der Mossad Namen aus seiner Todesliste aus. In den 70er Jahren jagte man den Palästinenser Abu Daud, der das Münchner Attentat geplant und geleitet hatte. 1981 wurde er in einem Restaurant in Warschau angeschossen und schwer verletzt.

Aaron Klein fand heraus, dass der Täter kein Mossad-Agent, sondern ein radikaler Palästinenser war. Abu Daud erholte sich in der DDR unter dem Schutz der Stasi und war für Israel nicht mehr interessant. 1996 erlaubte ihm der damalige Regierungschef Shimon Peres sogar, israelisches Gebiet zu betreten. Abu Daud kam aus Jordanien und reiste weiter nach Gaza. Dort nahm er an der Sitzung des Palästinensischen Nationalrates teil, bei der die Zerstörung Israels aus der PLO-Charta gestrichen wurde. Das war der Hauptgrund für die Einreisegenehmigung.

Keinerlei Schuldgefühle

Aaron Klein war Militärgeheimdienstler und arbeitet in Israel als Korrespondent des amerikanischen "Time Magazine". Er konnte das Vertrauen von 50 ehemaligen Offizieren des Mossad und des militärischen Nachrichtendienstes nur gewinnen, weil er ihnen versprach, sie keinesfalls namentlich zu nennen. Ihre Aussagen verifizierte er anhand von Dokumenten.

"Ich habe mit über 50 ehemaligen Mossad-Agenten aller Hierarchieebenen gesprochen, die in solche Aktionen verwickelt waren", erzählt Aaron Klein. "Nicht nur verspürte keiner von ihnen Schuldgefühle oder Reue wie der Held von Spielbergs Film 'München', sondern sie sehen in ihrer Tätigkeit eine heilige Aufgabe. Auch 30 Jahre danach sind sie stolz auf das, was sie getan haben."

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Buch-Tipp
Aaron J. Klein, "Die Rächer. Wie der israelische Geheimdienst die Olympia-Mörder von München jagte", SpiegelBuchverlag / DVA, ISBN 3421042055