Rechtsanwältin Felicia Langer bei einem Vortrag in Wien
Die Frau, die niemals schweigt
Aus Protest gegen das israelische Rechtssystem ist Felicia Langer nach Deutschland ausgewandert. Sie verteidigte als israelische Anwältin Jahrzehnte lang die Bürger- und Menschenrechte der Palästinenser und erhielt dafür den Alternativen Friedensnobelpreis.
8. April 2017, 21:58
Felicia Langer über Israel und Palästina
Felicia Langer stammt aus Polen, musste vor den Nazis fliehen, studierte in Israel Rechtswissenschaften und wurde später Anwältin für die Palästinenser, bis sie aufgrund zahlreicher Anfeindungen nach Deutschland emigrierte.
Kürzlich hielt die in Polen geborene Rechtsanwältin in Wien einen Vortrag mit dem Titel "Israel - Palästina - endlich Frieden oder ewiger Brandherd?". Darin kritisiert sie erneut die Haltung Israels gegenüber den Palästinensern. Andererseits verurteilt sie aber auch palästinensische Terrorakte in scharfen Worten.
Palästinenser diskriminiert
"Es kann nur Frieden zwischen Juden und Palästinensern geben, wenn Israel seine Schuld einbekennt und Verantwortung für seine Taten übernimmt", sagt Felicia Langer. Davon sei sie schon Anfang der 1950er Jahre überzeugt gewesen, als sie und ihr Mann Meciu nach Israel gekommen seien. Bereits damals war das Ehepaar, dessen beider Familien in KZs umgekommen sind, vom Ausmaß der Diskriminierung der Palästinenser, die zu jener Zeit unter Militärverwaltung standen, schockiert - von den zerstörten Dörfern, vom Schicksal der Flüchtlinge.
Seit damals verteidigt Felicia Langer die Bürger- und Menschenrechte der Palästinenser. 1990 erhielt sie dafür den Alternativen Friedensnobelpreis. Im gleichen Jahr schloss sie allerdings ihre Anwaltspraxis aus Protest, weil ihr das israelische Justizsystem zur Farce geworden war. Seit 1991 lebt sie mit ihrem Gatten Meciu, der fünf Konzentrationslager überlebt hat, in Tübingen, Deutschland. Dort setzten sich die beiden jedoch nicht zur Ruhe, sondern beteiligen sich weiterhin an Aktionen gegen Fremdenfeindlichkeit und Gewalt und kämpfen auf politischer Ebene für die Rechte der Palästinenser.
Es liege an Israel
Man verkompliziere die palästinensische Frage; man erwecke den Eindruck, es handle sich hierbei um ein unlösbares Dilemma, zwei verfeindete Völker in einem so kleinen Stückchen Land unterzubringen. Tatsächlich sei die Lösung jedoch einfach: zwei Staaten für zwei Völker, und es liege an Israel, die Lösung zu realisieren, denn die Palästinenser hätten Israel seit 1988 de jure anerkannt; sie verlangen heute 22 Prozent ihres ursprünglichen Territoriums. Israel hingegen verachte zahlreiche UNO Resolutionen, betont Felicia Langer bei ihrem Vortrag in Wien.
Andererseits verurteilt die Rechtsanwältin aber auch den palästinensischen Terror aufs Schärfste. Sie habe es Zeit ihres Lebens abgelehnt, Palästinenser zu verteidigen, die Terrorakte begangen hätten. Doch die Haltung Israels bereite den Boden für die palästinensische Gewalt, sagt sie.
Sharon kein Mann des Friedens
Sharon werde heute so geschildert, als ob er von Saulus zum Paulus geworden wäre, als ob er am Ende seines Lebens zu einem "Mann des Friedens geworden wäre. Dieses Bild entspreche jedoch nicht der Realität, meint Felicia Langer:
Das heute geräumte Gaza sei seit jeher unbeliebt gewesen, und kostspielig zu halten. Sharon hätte verstanden, dass "man etwas zurückgeben müsse, um zu zeigen, dass sich etwas bewege. Unter diesem Deckmantel könne man sich die Westbank besser aneignen. Tatsächlich habe man zwar Gaza geräumt, gleichzeitig jedoch 15.000 neue Siedler in der Westbank angesiedelt, argumentiert die Rechtsanwältin.
Die Pforte zum Leben öffnen
Bei ihrem Vortrag in Wien zitiert die heute 75-jährige Felicia Langer schließlich auch den weltweit bekannten Dichter Mahmoud Darwisch:
"Mahmoud Darwisch, ein Goethe der Palästinenser, wurde gefragt, warum so viele Palästinenser bereit sind, sich in die Luft zu sprengen und zu sterben. Es sind Hunderte, unter ihnen Frauen, nicht nur die Fundamentalisten, die Hamas-Leute. Das ist eine neue Situation. Mahmoud Darwisch antwortete, dass das Problem der neuen Beziehung der Palästinenser zum Tod nur gelöst werden kann, wenn man ihnen die Pforte zum Leben öffnet. Man muss den Palästinensern die Pforte zum Leben öffnen! Und wir haben die Pforte zum Leben zugesperrt, hermetisch abgeriegelt! Das ist die Antwort. Das ist auch die Antwort der Friedensbewegung in Israel, derjenigen, die heute nicht da sind".
Hör-Tipp
Journal-Panorama, Montag, 23. Jänner 2006, 18:25 Uhr
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Felicia Langer