Seelenmassage für Österreicher

Vom deutsch-türkischen Verhältnis

Von den kleinen Missverständnissen, den mittleren Pannen und den gröberen Zerwürfnissen zwischen unseren Lieblingsnachbarn und deren Lieblingsausländern zu lesen, entspannt uns Österreicher enorm. Aber mit Schadenfreude hat das nichts zu tun, ehrlich!

Wir haben es immer schon gewusst: Das Zusammenleben mit unseren Lieblingsnachbarn (denn wir haben ja nur Lieblingsnachbarn, oder?), denen im Westen, kann höchst anstrengend sein. Auch für uns, die wir diesem Zusammenleben maximal kurzfristig, nämlich auf die Dauer eines Winter- bzw. Sommerurlaubs, ausgesetzt sind, gestaltet sich Selbiges oft genug stressig. Vor allem, wenn wir es mit denen zu tun haben, die sich genauso benehmen, wie wir es gerne in weit entfernten Urlaubsorten auch pflegen. Aber das sind nur ganz wenige, denn wie meisten Deutschen sind wirklich nett, ehrlich!

Aber die armen Türken, die Tag für Tag am türkisch-deutschen Zusammenleben arbeiten müssen! Wen nimmt es Wunder, dass sie die Erfahrungen des täglichen Kultur-Clashs aufschreiben müssen, schon allein aus psycho-hygienischer Notwendigkeit? Und uns auf diese Weise ein Vergnügen bescheren, das nicht einmal im Entferntesten an Schadenfreude erinnert.

Beliebte Kanak Sprak

Begonnen hat es 1983, mit einer Kolumne im "Bremischen Stadtmagazin", in der Monat für Monat Osman Engin vom Leben als Türke und Familienvater in Deutschland berichtete. Seine kleinen, boshaften Geschichten waren bald auch im "Titanic" und in der "taz" zu lesen und zählen mittlerweile zu den Klassikern dieses Genres. Und mittlerweile wird er auch mit Lob überschüttet, wobei immer wieder der Name Kishon fällt: "anatolischer K.", "lustiger als K.". Eines unterscheidet die beiden auf jeden Fall: Während K. mit der besten Ehefrau von allen verheiratet war, lebt Osman Engin mit der "größten Nervensäge des Mittleren Ostens" zusammen, zumindest dann, wenn sie ihn wieder mal geärgert hat.

Irgendwann in den späten 80er Jahren wurde dann auch der spezielle Dialekt der Lieblingsausländer unserer Lieblingsnachbarn literaturfähig: Kanakisch. Einer der ersten, der sich in dieser Sprache gedruckt lesen konnte, war der in Kiel lebende Feridan Zaimoglu. Er begann mit authentischen Geschichten: "Kanak Sprak. 24 Misstöne vom Rande der Gesellschaft", und dann "Abschaum. Die wahre Geschichte von Ertan Ongun". In diesem Buch erzählt er in 35 an die Nieren gehenden Storys die Lebensgeschichte eines jungen türkischen Drogenabhängigen. Das hat ihm den Ehrentitel "Kanaken-Houellebecq" eingetragen. Mittlerweile hat er sich auch auf die satirische Seite geschlagen und im "Kanak-Kultur-Kompendium Kopf und Kragen" eine Reihe von sehr entlarvenden erfundenen Interviews herausgegeben.

Wir lernen Kanakisch

Und dann: die Kanakisch-Sprachkurse, verfasst vom deutschen Tontechniker (!) Michael Freidank (der sogar von "Bild" beauftragt extra für Thomas Gottschalks Türkei-"Wetten dass..." im Mai 2005 einen "Kanakisch-Sprachkurs" verfasste). Die verrückten Romane von Selim Özdogan. Die Bücher der Mülti-Külti-Comedians, allen voran Kerim Pamuk. Yade Kara mit ihrem deutsch-türkischen Entwicklungsroman "Selam Berlin". Die Anthologie "Was lebst Du? Jung, deutsch, türkisch - Geschichten aus Almanya", in der u. a. auch Django Asül, seines Zeichens bayrischer Comedian oder Cem Özdemir, der grüne Europaabgeordnete, lästern.

Und endlich wieder Satire. Asli Sevindims Familiengeschichten. Mit kishoneskem Schlenker macht sie sich über die Klischees beider Seiten her. Über die unterschiedlichen Kochgewohnheiten. Über die unterschiedliche Auffassung von Familie. Und die eigenen Vorurteile den Deutschen gegenüber. Und dass "Kartoffel" für türkische Mädchen mehr bedeutet als bloß Gemüse. Und dass ihr Herzallerliebster, die Kartoffel, den Begriff "Candlelight Döner" erfunden hat.

Hör-Tipp
Terra incognita, Donnerstag, 19. Jänner 2006, 11:40 Uhr

Buch-Tipp
Asli Sevindim, "Candlelight Döner. Geschichten über meine deutsch-türkische Familie", Ullstein Verlag, ISBN 3548263674

Links
Osman Engin
Selim Özdogan
Kerim Pamuk
Single-Generation - Feridun Zaimoglu