Westafrikanische Klänge gemixt mit Reggae-Offbeats

Ein "bunter Hund" namens Cheikh Lo

Die Kleidung des zur religiösen Bruderschaft der Baye Fall gehörigen Musikers Cheikh Lo besteht aus bunten Flecken. Von seinem Kopf baumeln lange Dreadlocks. Musikalisch verbindet er westafrikanische Klänge mit Reggae, Blues, kubanischer und brasilianischer Musik.

"Santa Yalla" - Ausschnitt aus der CD "Lamp Fall"

Pechschwarze Haut, Sonnenbrille, dicke Dreadlocks. Seine Kleidung besteht aus bunten Flicken. Der Kopf ist leicht nach vorne geneigt, als versuche er als Sänger, schwache Signale aus einer anderen Sphäre zu erlauschen; dazu in schreiendem Kontrast eine weiße akustische Gitarre, die auf dem Oberschenkel abgestützt ist: Black and White, Licht und Schatten, Illumination und Obskurantismus ...

Das ist Cheikh Lo aus Senegal, ein Angehöriger der religiösen Bruderschaft der Baye Fall, die als Symbol für Sparsamkeit alte Kleider zu neuen zusammennäht. Neben seinem Aussehen hat er aber vor allem auch musikalisch einiges zu bieten.

Akustischer Fleckerlteppich

Cheikh Lo präsentiert sich auch auf seiner neuen CD "Lamp Fall" wie ein mystischer Griot, ein afro-futuristischer Geschichtenerzähler, der sich in einer surrealen Klangwelt eingerichtet hat. Senegalesische Mbalax-Rhythmen mischen sich mit Reggae-Offbeats, das Akkordeon der kapverdischen Funana-Musik spielt melodramatische Melodielinien, im Hintergrund zirpt leise eine Flamenco-Gitarre und darüber die leicht angerauhte Stimme des Sängers, die von ganz tief aus der Kehle zu steigen scheint.

Es ist ein akustischer Fleckerlteppich, der an die aus Stoffresten zusammengenähte Patchwork-Kleidung erinnert, mit der Cheikh Lo sich bevorzugt präsentiert. Es ist die sanfte Autorität seiner Stimme, die die unterschiedlichen Klangfäden der hybriden Musikkonstruktionen verknüpft und somit auf überzeugende Weise zusammenwachsen lässt, was eigentlich gar nicht zusammengehört.

"Soft Mbalax" als eigene Klangnische

50 Jahre ist Cheikh Lo mittlerweile alt, nicht unbedingt der Lebensabschnitt, in dem man noch glaubwürdig als Nachwuchskünstler gehandelt werden kann. Trotzdem ist der Sänger und Gitarrist bis heute eine Randerscheinung, oder - freundlicher formuliert - eine Kultfigur geblieben ...

Das hat mehrere Gründe: Zum einen gehört Cheikh Lo nicht zu den Produktivsten im Lande - auf dem internationalen Markt sind nur drei CDs unter seinem Namen erhältlich; zum anderen ist er ein bedingungsloser Anhänger der muslimischen Baye Fall-Bewegung und stellt im Zweifelsfall die Religion jederzeit über die Musik. Dazu kommt, dass er internationale Klang-Abenteuer liebt und sich nicht auf einen Trademark-Sound festlegen lässt: "Ich würde meine Musik als 'Soft Mbalax' bezeichnen", meint er selbst: "Sie ist nicht aggressiv. Ich habe überhaupt nichts gegen den typischen harten Senegal-Sound - pur et dur - mit viel Perkussion und rhythmischem Drive, aber ich glaube, dass viele diese Musik nur machen, weil sie glauben, sie sei der einzige Weg zum Erfolg. Ich musste für mich etwas anderes finden, meine eigene Klangnische besetzen".

Sein Förderer ein Weltstar

Weltstar Youssou N'Dour, der 1995 Cheikh Lo's erste internationale CD "Ne la Thiass" produzierte, sagte einmal über ihn: "Wann immer er sang, war ich von seiner Stimme überwältigt. Etwas in seinem Timbre trug mich fort auf eine Reise durch Burkina Faso, Niger, Mali". Youssou N`Dour musste allerdings nur noch den Feinschliff besorgen, denn der Sound von Cheikh Lo war zu diesem Zeitpunkt bereits voll ausgereift - kein Wunder bei einem kreativen Vorlauf von mehr als 20 Jahren.

Geboren wurde der Künstler in der kleinen Stadt Bobo Dioulasso in Burkina Faso als Sohn eines senegalesischen Juweliers. Schon damals hörte er als Kind zu, wenn seine älteren Brüder rare kubanische und kongolesische Rumba-Singles auf dem alten Grammofon der Eltern abspielten. Als Teenager wurde Cheikh Lo Bübchen für alles und Teilzeitperkussionist im lokalen Highlife-Orchester Volta Jazz; und wenig später - nach dem Umzug nach Dakar - Hausmusiker im Hotel Savana, der die ganze Palette an amerikanischen, französischen und italienischen Standards draufhaben musste.

Zehnjährige Gitarren-Lehrzeit

Cheikh Lo's Weg ist nicht untypisch für die Lehr- und Wanderjahre afrikanischer Musiker. Nach Dakar kam die Reise nach Paris - dem Mutterschiff des ehemaligen frankofonen Kolonialreiches - und der Versuch, in der Diaspora Fuß zu fassen. Cheikh Lo, der erst in den 1980er Jahren mit dem Gitarrenspiel begonnen hatte, gönnte sich eine zehnjährige Lehrzeit, in der er an seiner Musik bastelte und feilte, ehe er mit "Ne La Thiass“ die Meisterprüfung ablegte.

Zwischenzeitlich waren zwar ein paar Kassetten für den afrikanischen Markt erschienen und ein paar Auftritte mit Papa Wemba in Paris absolviert worden; doch fanden all diese Aktivitäten unterhalb des Weltmusik-Radars statt.

Die Wandlung zum Funker

Erst nachdem Youssou N`Dour den ewigen Zweifler und Grübler unter die Fittiche nahm und ihn sogar im Vorprogramm seiner Welttournee auftreten ließ, kam so etwas Ähnliches wie eine Karriere zustande. Trotzdem sollte wieder geraume Zeit vergehen, ehe Cheikh Lo sich zur Finalisierung eines zweiten Tonträgers entschließen konnte.

Der Musiker scheint überhaupt nach einem Fünfjahresplan zu arbeiten: Erst im Jahr 2000 erschien die CD "Bambay Gueej“. Und man merkt schon nach wenigen Takten, dass in der Zwischenzeit einiges passiert ist. Während auf "Ne la Thiass“ noch der leichte, hingehauchte Afropop mit akustischer Gitarre dominierte, so ist dem Sound plötzlich Muskelmasse zugewachsen. Cheikh Lo mutierte zum Funky-Brother, unter tätiger Mithilfe des James Brown-Sidemans Pee Wee Ellis "senegalisierte" er den Funk.

Was zählt, das liegt dazwischen

Dies scheint das Motto von Cheikh Lo zu sein. Von den in Dakar zirkulierenden Stilen hat er zwar einiges absorbiert - etwa das Rasseln und Klappern der Tama- und Sabartrommeln, den Schaukelbeat der kongolesischen Rumba oder die härtere Attacke des nigerianischen Afrobeat, aber all dies sind nur Ingredienzien, aus denen der Maitre sein höchst subjektives, idiosynkratisches Menü zusammenstellt. Damit nimmt der Künstler eine einzigartige Position in der afrikanischen Musikszene ein.

Seine Musik sei - so schrieb einmal ein amerikanischer Kritiker - eine Zusammenschau von Klängen, die allesamt in der vordigitalen Epoche entstanden sind und in leicht nostalgischer Sepia-Tönung neu zusammengewebt werden. Dieses Prinzip des permanenten Crossover mit delikat ausgehörten Klang-Nuancen und trennscharf aufgenommenen Instrumentalstimmen wird auf Cheikh Lo's jüngster CD "Lamp Fall“ zum Explodieren gebracht. Dort mischt die 50-köpfige Perkussionsgruppe Afro Bloc Ilé Aiye aus dem brasilianischen Bahia, und man gewinnt für einen Moment den Eindruck, dass eine Sambaschule durch das Plateau-Viertel von Dakar tänzelt.

Hör-Tipp
Spielräume spezial, Sonntag, 15. Jänner 2006, 17:10 Uhr

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