Wer soll das lesen? - Teil 2

Über die Zensur

Zensur war und ist ein beliebtes Mittel von Machthabern, ihre Gegner zu unterdrücken. Besonders Künstler waren immer wieder der Kontrolle ausgesetzt, und da vor allem Literaten. Die Autoren verstanden es aber oft, die Zensur auszutricksen.

Im 18. und im 19. Jahrhundert sah das typische Leben eines Literaten so aus: Er wandert zwischen seiner Schreibstube und dem Gefängnis hin- und her. Und das in allererster Linie auf Grund seiner Publikationen, die den damaligen Machthabern nicht genehm waren. Verfolgt wurden zum Beispiel Schriftsteller, die im absolutistischen Frankreich aufklärerische Positionen vertraten, oder später - im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts - Vertreter der literarischen Bewegung "Junges Deutschland", die sich, beeinflusst von der Julirevolution 1830 in Frankreich, gegen die Unterdrückung der freiheitlichen und nationalen Ideen wandten.

Vertreter dieser literarischen Bewegung waren zum Beispiel Heinrich Heine, dessen Gedicht "Die schlesischen Weber" vom königlich-preußischen Kammergericht verboten wurde, oder Georg Büchner, der, um seiner Verhaftung zu entgehen, nach der Veröffentlichung der sozialrevolutionären Schrift "Der hessische Landbote" nach Strassburg fliehen musste.

Die Schriften des "Jungen Deutschland", wurden schließlich - allesamt - 1835 von der Bundesversammlung in Frankfurt, als staatsgefährdend verboten. Allerdings: Geholfen haben die Zensurmaßnahmen den Regierungen nur bedingt. Eine Möglichkeit, die damalige Zensur zu umgehen, bestand darin, aktuelle Themen in ferne Länder und längst vergangene Zeiten zu transferieren. Es war also ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen Zensoren und kritischen Literaten.

Von Büchern bis zu Grabsteinen

Die Zensur war keine Erfindung des 18. oder 19. Jahrhunderts. Zensuriert wurden Texte seit den Anfängen der Literatur. Zensuriert wurde beziehungsweise wird meist aus drei Gründen: aus einem religiösen, aus einem politischen und aus einem moralischen Grund.

Die Formen, wie Zensur ausgeübt wird und welche Druckwerke ihr unterliegen, kann je nach Staatsform und Missliebigkeit der zensurierten Schriften völlig unterschiedlich sein. So wurde während der Französischen Revolution die Zensur erstmals auch auf den Briefverkehr ausgedehnt. Im so genannten Vormärz, also in der Zeit von Staatskanzler Metternich, wurden sogar Predigten, Geschäftsschilder und Grabsteine zensuriert.

Bücherverbrennungen

Die Konsequenzen der Zensur auf ein Schriftstück reichten und reichen von der Schwärzung einzelner Textpassagen über die Indizierung von Büchern, also die Erstellung einer Liste verbotener Bücher, bis hin zur Bücherverbrennung. Sie ist eine der ältesten Traditionen, wenn man sich - und das nicht nur vonseiten der offiziellen Machthaber - von missliebigen Schriften möglichst plakativ trennen will.

Der Bogen spannt sich dabei von einer päpstlichen Bulle aus dem Jahr 1501, wonach papstfeindliche Schriften zu verbrennen seien, über die Bücherverbrennung durch deutsche Studenten auf der Warthburg im Jahr 1817, bis hin zu einer der jüngsten Bücherverbrennungen. Diese fand im Jahr 2001 in den USA statt. Dabei verbrannte die "Harvest Assembly of God"-Sekte Harry-Potter-Bücher, weil diese angeblich Zauberei und Hexerei verherrlichten.

Eine der größten Bücherverbrennungsaktionen der jüngeren Geschichte fand nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in der Zeit vom 10. Mai bis 21. Juni 1933 statt. Damals wurden an verschiedensten Orten Deutschlands jene Bücher verbrannt, die als - wie es damals hieß - undeutsch galten. Verbrannt wurden dabei unter anderem Werke von Bertold Brecht, Max Brod, Heinrich und Klaus Mann, Stefan Zweig und Franz Werfel. Insgesamt fielen den Verbrennungen - so schätzt man heute - rund 20.000 Bücher zum Opfer.

Unmittelbar nach den Bücherverbrennungen, sollten Verbotslisten, erstellt werden, was allerdings schwieriger war als man anfangs dachte. Die Buchhändler mussten letztendlich selbst entscheiden, welche Literatur sie dem damaligen Zeitgeist entsprechend verkaufen durften und welche eben nicht.

Der Kunst ihre Freiheit

Das aus dem Jahr 1867 stammende und auch heute noch gültige Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger für die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder verspricht den Menschen so genannte Grund- und Freiheitsrechte. Darunter fallen auch die Meinungs- und die Pressefreiheit. Unterstrichen wurde dies auch durch einen Beschluss der provisorischen Österreichischen Nationalversammlung am 30. Oktober 1918. Darin hieß es: "Jede Zensur ist als dem Grundrecht der Staatsbürger widersprechend als rechtsungültig aufgehoben." Am 12. Mai 1982 wurde schließlich auch die Freiheit der Kunst explizit in das bereits erwähnte Staatsgrundgesetz aufgenommen.

Allerdings - und das gilt wiederum eher für die Angehörigen der schreibenden Zunft - nicht alles, was man schreiben will, wird dann auch von den Autoren veröffentlicht, weil es eben auch eine innere Zensur gibt, die man am besten mit Selbstkontrolle übersetzten könnte. So besserte zum Beispiel auch Johann Wolfgang von Goethe seinen "Götz von Berlichingen" nach, indem er einige besonders deftige Kraftausdrücke vorsichtshalber abschwächte, bevor er das Werk von der damaligen Vorzensur kontrollieren ließ.

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Ex libris, Sonntag, 15. Jänner 2006, 18:15 Uhr

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