Patricia Highsmith anders betrachtet
Meine Jahre mit Pat
Eine 78-jährige Frau blickt zurück auf ihr Leben und beschreibt damit auch das Leben einer anderen, wesentlich berühmteren: Patricia Highsmith. Marijane Meakers verbrachte zwei Jahre mit Highsmith. Ihre Erinnerungen an die Zeit liegen nun als Buch vor.
8. April 2017, 21:58
Noch bevor sie sich kennen lernen und ein Paar werden, ist Marijane Meaker schon ein großer Fan von Patricia Highsmith. Nicht nur, weil ihr Krimi "Zwei Fremde im Zug" bereits von Alfred Hitchcock verfilmt worden ist, sondern vor allem auch deshalb, weil Highsmith zur damaligen Zeit die einzige Schriftstellerin war, die einen Roman über ein lesbisches Paar geschrieben hatte, wo keine der beiden Protagonistinnen am Ende sterben muss. Dieser glückliche Ausgang der Geschichte ist für damalige Verhältnisse eine Revolution.
Einfühlsames Psychogramm
Auch wenn es eine Zeit gibt, in der Marijane Meaker die erfolgreichere der beiden Schriftstellerinnen ist, am Anfang und auch später wieder liegt das Interesse der Öffentlichkeit nur auf Pat. Das Bild, das nach außen transportiert wird, ist das einer selbstbewussten und erfolgreichen schönen Frau mit Hang zu abstrusen Geschichten, die gerne Trenchcoats trägt und Gauloises raucht.
Das übermäßige Trinken, das die beiden am Beginn ihrer Beziehung zueinander führt, wird bald zum Problem, und lässt Skepsis aufkommen: Meaker zerbricht das Bild, das Patricia Highsmith zeitlebens von sich vermittelt hat. Kein "Rest in peace" für Pat, sondern ein einfühlsames, aber sehr bloß stellendes Psychogramm einer Frau, die mit ihren inneren Widersprüchen nicht zurecht kommt.
Meaker beschreibt Highsmiths Konflikte mit der gefühlskalten Mutter, die Unfähigkeit zur Selbstreflexion, die ständige Flucht vor sich selbst, geäußert durch ihre Hasstiraden auf Amerika. Sie beschreibt ihren Antisemitismus und ihre Abneigung der schwarzen Bevölkerung gegenüber. Und sie beschreibt ihr Desinteresse an der Schwulen- und Lesbenpolitik.
Zeitdokument der Schwulen- und Lesbenszene
Während Patricia Highsmith der Meinung ist, dass es niemanden etwas angeht, was sie im Bett tut, positioniert sich Marijane Meaker im Laufe der Beziehung und vor allem danach immer mehr als politisch aktive Autorin. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, sind ihre "Erinnerungen an Patricia Highsmith" ein wertvolles und spannendes Zeitdokument der Lesben- und Schwulenszene New Yorks in den 50ern und 60ern. In einer Zeit, wo Frauen der Zutritt zu Restaurants verwehrt wird, wenn sie Hosen tragen, ist es für Lesben nicht einfach, abends auszugehen. Spärlich gesät sind die "speziellen" Bars, und erschwerend kommt hinzu, dass viele von der Mafia geführt werden.
Die Mafia nutzte den Umstand, dass Homosexuelle als kriminell galten und froh waren, sich überhaupt irgendwo treffen zu können. Die Bars waren dementsprechend verwahrlost, die Behandlung war unmenschlich. So ließ man beispielsweise Frauen nur einzeln in den Toilettenraum, weil, wie Meaker sagte, "man sich die furchtbarsten Dinge vorstellte, die eine Frau mit einer anderen da drinnen treiben könnte".
Intensive Liebesgeschichte
Lässt man das politische Umfeld allerdings beiseite und vergisst die klingenden Namen, die sich allgegenwärtig durch die Memoiren ziehen, dann bleibt eine Liebesgeschichte, kompliziert und intensiv. Ungeschönt beschreibt sich Marijane Meaker selbst als klammernde, fordernde Liebhaberin. Sie lässt uns an ihrem Zweifel und an der Anstrengung teilhaben, mit der sie an dieser nur zwei Jahre dauernden Beziehung hängt und zerrt. Ihre Konflikte mit Patricia Highsmith stellen sie selbst bloß, offenbaren ihre eigenen Schwächen und Ängste. In einem dieser Konflikte wirft Patricia ihr vor: Du hattest immer schon ein Bild von mir, bevor du mich überhaupt kanntest, aber dem entspreche ich nicht. Und das macht dich wütend.
Wenn Meaker zehn Jahre nach dem Tod von Highsmith ihre Erinnerungen als Buch herausgibt, dann wirkt es stellenweise so, als würde sich die Anschuldigung wiederholen: Man hat ein gewisses Bild von Patricia Highsmith, aber dem entsprach sie nicht. Und Marijane Meaker ist gekommen, um das Bild zurechtzurücken. Lesenswert ist ihr subjektiver Blick auf die große Autorin Patricia Highsmith auf alle Fälle.
Hör-Tipp
Ex libris, jeden Sonntag, 18:15 Uhr
Download-Tipp
Ö1 Club-Mitglieder können die Sendung nach Ende der Live-Ausstrahlung im Download-Bereich runterladen.
Buch-Tipp
Marijane Meaker, "Meine Jahre mit Pat", Diogenes Verlag, ISBN 3257064985