Mythische Geburten und ihre Überlieferung

Tao: Die Geburt der Götter

Nicht nur Jesus Christus wurde auf besondere Weise geboren; auch Buddha oder Krishna kamen jungfräulich auf die Welt. Athene wiederum entsprang dem Kopf des Göttervaters Zeus. Sogar ganze Völker betrachten sich als Abkömmlinge von Göttern.

Göttergeburten aus der Theogonie des Hesiod

Die meisten göttlichen Gestalten der Menschheitsgeschichte sind auf wunderweise Weise geboren worden. Jungfräulich wie Jesus Christus kamen auch Buddha und der indische Gott Krishna auf die Welt. Die griechische Göttin Athene wiederum entsprang dem Kopf des Göttervaters Zeus. Manchmal betrachten sich auch ganze Völker als Abkömmlinge von Göttern - etwa die Japaner, die sich als Kinder der Sonnengöttin Amaterasu verstehen.

Aus den Mythen des alten Indien

Der Purusha, der göttliche Mann des indischen Rigveda, dieser rund 3.500 Jahre alten Heiligen Schrift Indiens, wird am Beginn der Welt geopfert, und dadurch entsteht alles, selbst die Götter und das Opfer.

In der vedischen Tradition Indiens wächst Gott Indra - ein Sohn von Himmel und Erde - bei Twaschtri auf, der für die Götter als Schmied und Architekt arbeitet. Indra schafft dadurch Platz für die Entfaltung des Lebens, indem er den steinernen Himmel - seinen Vater - erschlägt.

Die Theogonie des Hesiod

Auch in der griechischen Überlieferung kommt es zu ähnlichen brutalen Familienkonflikten. Hier entsteht aus dem Chaos die breitbrüstige Gaia, die Erde, und der Eros, der schönste der unsterblichen Götter. Gaia bringt zuerst - ihr gleich - den sternreichen Uranos hervor, den Himmel, danach zeugt sie mit ihm Berge, das Meer und Kronos, den jüngsten Sohn, der dem Vater die Genitalien abschneidet. Doch auch noch abgetrennt sind sie zeugungsfähig.

Wer sich die Mühe macht, die Theogonie des Hesoid selbst zu lesen, wird in der Folge durch fantastische Geschichten von unglaublichen Geburten überrascht. Da werden Riesen in die Welt gesetzt mit hundert Armen und fünfzig Köpfen, aber auch Untiere wie etwa eine Schlange, die an den Grenzen der Erde goldene Äpfel hütet, und natürlich die olympischen Götter.

Die Kinder des Kronos

All diese Kinder verschlang der riesige Kronos, sowie jedes aus dem Schoß zu den Knien der heiligen Mutter Rheia hervorkam, wollte er doch, dass kein anderer die Königsmacht bei den Unsterblichen erlange.

So steht es in den Schriften des Hesiod. Dennoch konnte Kronos nicht verhindern, dass Zeus geboren wurde. Seine Mutter Rheia versteckt nämlich ihren Sohn mit Hilfe ihrer Eltern Gaia und Uranos. Zeus schließlich stürzt Kronos und ergreift selbst als Vater der Götter und Menschen die Macht und zeugt dann selbst die unterschiedlichsten Geschöpfe.

Am bekanntesten ist die Geschichte von Athene, der Stadtgöttin von Athen, die aus dem Kopf des Zeus entspringt, wobei der Schmiedegott Hephaistos mit der Axt nachilft - auch eine Form der Geburt, allerdings ziemlich patriarchal und gewaltsam.

Die vedischen Götter

Sowohl die griechischen wie die vedischen Götter im alten Indien übernehmen bestimmte Funktionen für die Menschen. Da gibt es beispielsweise in den Veden einen Gott, der für Verträge und einen anderen, der für Eide zuständig ist. Der Gott des Feuers Agni wiederum wird aus dem Reiben von Feuerhölzern geboren oder auch in den Himmelswassern als Blitz aus den Wolken.

Eine wichtige Gottheit in der indischen Überlieferung ist auch Soma, das berauschende Opfergetränk, das aus einer Pflanze hergestellt wird. Soma spendet Lebens- und Zeugungskraft und kommt mit dem Regen herunter.

Die Hindu-Traditionen

Die vedischen Götter werden später von den Göttern der Hindu-Traditionen abgelöst. Die Hindu-Götter leben dabei in ganz besonderen Zeitverhältnissen: Ein Tag des Gottes Brahma etwa besteht aus tausend mal vier Weltaltern; das sind 24 Millionen Menschenjahre. Danach schläft Brahma ebenso lange. Die Menschen erfahren dies als zyklisches Entstehen und Vergehen der Welt. Wenn für Brahma auf diese Weise hundert Jahre vergangen sind, wird die Welt völlig vernichtet. In den Chaoswassern bleibt nur noch Gott Vishnu, der Welterhalter, über, der auf einer Schlange schläft und durch die Wasser treibt. Wenn die Welt gefährdet ist, erscheint dann Vishnu selbst in immer wieder neuen Gestalten.

Am bekanntesten ist der Mythos von seiner Manifestation als Krishna: Der dämonische König Kamsa unterdrückt die Menschen. Seine Schwester Devaki soll als achtes einen Sohn bekommen, der Kamsa töten soll. Daraufhin lässt Kamsa alle Kinder seiner Schwester töten. Dennoch wird Krishna geboren und gegen das Kind eines Hirtenpaares ausgetauscht. Dieses Kind hat zwar die Gestalt eines Buben, ist aber eine Inkarnation von Lakshmi, der Gattin Vishnus.

Historische Ursprünge

Historisch gesehen sind sowohl Griechen wie Inder Nachfahren desselben zentralasiatischen Stammes, nämlich der Arier, die sich irgendwann vor dem zweiten Jahrtausend vor Christus auf die Wanderschaft gemacht haben. In einem Jahrhunderte dauernden Prozess wanderten Arier in den Norden des indischen Subkontinents ein, andere in das Gebiet des heutigen Iran und wieder andere nach Nordgriechenland und Kleinasien.

Mit den Menschen reisten auch die Götter oder die Geschichten der Götter und veränderten sich dabei. Das kann man deutlich an den griechischen Göttergeschichten beobachten, wie sie die beiden Dichter Homer mit der Ilias und der Odysee im achten und eben Hesiod im siebenten Jahrhundert vor Christus erzählen.

Die Unterschiede

Die Vielfalt der indischen Geschichten über die Geburt von Göttern wirkt verwirrend. Doch diese verwirrende Vielfalt ist Ausdruck einer tiefen Einheit im Göttlichen. In der Bhagavadgita heißt es:

Es ist die Gestalt der unendlichen Gottheit, deren Angesichter uns überall anblicken. Alle Wunder des Seines existieren in ihr.

In den Göttergeschichten des griechischen Dichters Hesiod dagegen geht es nicht um die Vielfalt der Erscheinungen des Göttlichen Einen. Schon der Begriff der Zeugung bekommt bei ihm bereits eine abstrakte Bedeutung. Das ist nicht mehr eine mythologische Geschichte, sondern eine argumentative. Es ist der erste Anfang des Nachdenkens über Gerechtigkeit und Demokratie - ein Nachdenken und Suchen, das nach mehr als zwei Jahrtausenden noch immer anhält.

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