Die Forderung nach sozialer Vernunft

Warum teilen?

Österreich zählt zu den zehn reichsten Ländern der Welt. Dieser Reichtum ist allerdings sehr ungleich verteilt: Ein Prozent der Bevölkerung besitzt mehr als ein Drittel des Gesamtvermögens, zehn Prozent verfügen über zwei Drittel.

Beim statistischen Pro-Kopf-Einkommen liegt Österreich an siebenter Stelle. Dieser Reichtum ist sehr ungleich verteilt: Ein Prozent der Bevölkerung besitzt mehr als ein Drittel des Gesamtvermögens, die obersten zehn Prozent verfügen über zwei Drittel.

Und die Zahl der Armen im Land steigt: Nach dem jüngsten Sozialbericht leben 467.000 Österreicherinnen und Österreicher in akuter Armut und 12,5 Prozent - das sind 1.044.000 Menschen - gelten als armutsgefährdet.

Als "Armutsgefährdungsschwelle" gilt in der EU ein monatliches Einkommen von 785 Euro netto. Die Frage der Verteilung gesellschaftlichen Wohlstandes, das heißt: des Teilens, ist ein zentrales Thema, das an Bedeutung noch stark zunehmen wird.

Was ist "gerecht"?

Möglichst gerechte Einkommensverteilung ist ein zentrales Ziel der Wirtschaftspolitik. Nur: Was ist "gerecht"? Volkswirtschaftlich bietet sich eine Rechenhilfe an: Je weniger Arme eine Gesellschaft hat, desto stärker ist die Nachfrage nach Konsumgütern und diese wiederum macht einen Gutteil wirtschaftlicher Prosperität aus.

Die Verteilung des Reichtums wird aber - sofern man unter Gerechtigkeit eine gewisse Balance versteht - immer einseitiger und damit ungerechter. Ende 2004 wurde - im Auftrag des Sozialministeriums und erstmals in der Zweiten Republik - ein so genannter Reichtumsbericht veröffentlicht.

Der Reichtumsbericht

Allerdings wird gleich im Vorwort des Reichtumsberichts von den Studienautoren darauf hingewiesen, dass es eine sehr ungenügende Datenlage gibt und viele Berechnungen auf Grund von Annahmen getroffen werden mussten. Aber selbst wenn man diese Annahmen macht, würde sich, so Christine Mayrhuber vom Wirtschaftsforschungsinstitut, die Reichtumsverteilung sehr asymmetrisch darstellen.

So würden ein Prozent der Bevölkerung 34 Prozent des Gesamtvermögens besitzen, darunter wird Geldvermögen, Immobilienvermögen und Unternehmensvermögen zusammengefasst. Alle diese Vermögensformen - wie auch die Einkommen daraus - sind sowohl tariflich als auch de facto weitaus geringer besteuert als Arbeitseinkommen, etwa aus unselbständiger Erwerbstätigkeit.

Nun hat aber Reichtum mit Macht zu tun; und Teilen bedeutet immer Verzicht. Das heißt: Teilen im Sinne der Mächtigen erfordert unfreiwilligen Verzicht der anderen Seite. Werfen wir einen objektiven Blick auf die Verteilung des Volkseinkommens. Dabei sind zwei Komponenten von Bedeutung: die Lohnquote und die Gewinnquote.

Lohnquote und Gewinnquote

Die Lohnquote ist der Anteil der Lohneinkommen am Volkseinkommen und die Gewinnquote, so Mayrhuber, besteht aus allen Einkommen die nicht aus unselbständiger Erwerbstätigkeit stammen.

Wenn man diese Werte vergleicht sieht man, dass die Lohnquote in den letzten Jahren enorm gesunken ist, und die Gewinnquote enorm gestiegen ist. Das bedeutet, der Anteil aus unselbständiger Erwerbstätigkeit ist gesunken. Ende der 1970er Jahre betrug die Lohnquote noch 72 Prozent, Ende 2004 lag sie nur noch bei 58 Prozent.

Die politische Bereitschaft zum Teilen

Steuerpolitisch wurde dieser Verschiebung aber nicht Rechnung getragen. Im Gegenteil: Während die steuerliche Belastung des Faktors "Arbeit" stetig zugenommen hat, wurde die Vermögenssteuer trotz einer dynamischen Zunahme der Vermögenswerte abgeschafft. Was immer das für pragmatische Gründe gehabt haben mag - es ist eigentlich nichts Anderes als eine Verweigerung des Teilens.

Auch die Finanzierung von Sozialleistungen wird immer schwieriger, weil diese natürlich auch mit der Entwicklung der Lohneinkommen zusammenhängt. Wirtschaftsforscher betonen das immer wieder, genauso wie die schwache Konsumnachfrage, die das Wirtschaftswachstum hemmt.

Sie fordern damit im Grund die politische Bereitschaft zum Teilen, den Verzicht auf Besitzstände, vielleicht auch eine soziale Vernunft, die in manchen Bereichen der Politik noch nicht einmal bis zur Diskussionsbereitschaft gediehen ist.

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