Wie die Schweizer das Transitproblem lösen wollen

Von der Straße auf die Schiene

Mit 20 Milliarden Euro wird in der Schweiz das Bahnnetz erweitert und modernisiert. Herzstücke sind der Lötschbergtunnel mit 35 Kilometern Länge und der Gotthardtunnel mit 57 Kilometern Länge. Beide gelten als Vorbilder für den geplanten Brennerbasistunnel.

Moritz Leuenberger appelliert an die Nachbarländer

Nicht nur Österreich kämpft mit dem Transitverkehr, auch das Nachbarland Schweiz. Aber, es gibt einen großen Unterschied: Die Schweizer betreiben seit Jahren gezielte Verkehrspolitik, um den Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern.

Mit 20 Milliarden Euro wird in der Schweiz das Bahnnetz erweitert und modernisiert. Herzstücke sind der Lötschbergtunnel und der Gotthardtunnel. Jene beiden Großprojekte gelten als Vorbild für den geplanten Brennerbasistunnel zwischen Tirol und Italien.

Die Arbeiten laufen auf Hochtouren

Tief im Berg unter der Ortschaft Mitholz im Kanton Bern liegt eine der fünf Baustellen, von der aus der Lötschbergtunnel gebaut wird. Derzeit werden Betonplatten auf der Tunnelsohle gegossen, auf die dann Schwellen und Geleise kommen. Alle paar Minuten bringt ein Mischer frisches Material. Die Laster müssen dazu viele Kilometer im Retourgang fahren, weil der Tunnel zu eng zum Wenden ist.

Insgesamt 400 Menschen arbeiten auf der Baustelle im Berg unter Mitholz. Es ist laut von den Maschinen und trotz Beleuchtung recht dunkel. Die Luft ist sehr warm, feucht und voll mit grauem Staub. "Die Arbeit ist gut bezahlt", sagt Pierre Ferin, "aber schwer". Er arbeitet seit zwei Jahren hier: "Hitze und hohe Luftfeuchtigkeit machen uns zu schaffen, dazu kommt die psychische Belastung durch die ständige Dunkelheit. Das ist nicht jedermanns Sache", so Ferin. Doch die BLS Alptransit - jene Bahngesellschaft, die den Tunnel bauen lässt - drängt, denn der Tunnel soll bereits 2007 in Betrieb gehen.

Der größte Tunnel der Welt

Der Lötschbergtunnel ist 35 Kilometer lang und führt fast ohne Steigung von Frutigen im Kandertal im Berner Oberland nach Raron im Wallis. Der größte Teil der Strecke besteht aus zwei Röhren. "Für jede Richtung eine", sagt Therese Klossner von BLS Alptransit - jener Bahngesellschaft, die den Lötschbergtunnel bauen lässt.

Noch länger als der Tunnel unter dem Lötschberg wird der unter dem Gotthard, an dem ebenfalls seit Jahren gebaut wird. Er soll die Innerschweiz mit dem Tessin verbinden und mit 57 Kilometern der längste Bahntunnel der Welt werden.

Die ehrgeizigen Ziele

Beide Großprojekte sind Teil der NEAT, der Neuen Eisenbahn Alpen Transversalen. Die Ziele, die durch den Bau verwirklicht werden sollen, sind ehrgeizig: Einerseits soll der Verkehrszuwachs der nächsten Jahre von der Bahn aufgefangen, andererseits der Güterverkehr von der Straße zurück auf die Schiene verlagert werden.

Man setzt auch auf die Schnelligkeit der beiden Verbindungen. Therese Klossner dazu: "Wenn der Lötschberg offen ist, wird man, von Bern kommend, eine halbe Stunde schneller in Mailand sein. Die Gotthardlinie wird die Zugreisenden von Zürich-City schneller als mit dem Flugzeug in die Mailänder Innenstadt bringen".

Durch Volksabstimmung abgesegnet

Der Ausbau der Bahn kostet 20 Milliarden Euro. Die Hälfte davon wird für die beiden großen Tunnel gebraucht. Das Geld soll zu einem großen Teil aus der Schweizer LKW-Maut kommen und aus einem Zuschlag auf Benzin und Diesel. "Die Schweizer haben das per Volksabstimmung abgesegnet", erklärt Gregor Saladin vom Bundesamt für Verkehr: “Sie haben sich in mehreren Volksabstimmungen für den Schienenverkehr ausgesprochen. Schon 1987 für die Bahn 2000, 1992 für die Basistunnels, die NEAT, und 1998 für die Finanzierung“.

Und der für den Verkehr zuständige Bundesrat Moritz Leuenberger ergänzt: "Das war eine sehr harte Abstimmung. Aber vom Moment an, wo sie gewonnen war, wurde die Entscheidung akzeptiert. Das ist der Vorteil der direkten Demokratie. Ich schätze, in Deutschland zum Beispiel würde man auf einen Regierungswechsel hoffen, um das wieder abzustellen. Aber in der direkten Demokratie wurde das - zwar murrend von den Frächtern - akzeptiert".

Der Kern der Schweizer Verkehrspolitik

Die Schweiz stimmt ihre Verkehrspolitik mit der Europäischen Union ab. Sie darf den LKW-Verkehr um einiges teurer machen als ein EU-Land, muss aber im Gegenzug gute Bahnverbindungen bieten. Kern dieser Politik ist die leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe: eine LKW-Maut, berechnet je Kilometer und bis zu dreimal so teuer wie in Österreich. Sie gilt nicht nur auf Autobahnen, sondern überall, für In- und Ausländer gleich.

Eine Schweiz-Durchquerung kostet derzeit für einen 40-Tonner nicht weniger als 320 Franken. Moritz Leuenberger meint, dass dies zwar einen Frächter, der von Holland nach Italien fahre, noch nicht unbedingt zum Umsteigen auf die Bahn motiviere. Aber - so der Bundesrat: "Wenn das auch die Nachbarländer machten, insbesondere Deutschland, dann könnte der Gütertransit auf der Straße so teuer werden, dass sich das Umsteigen auf die Bahn lohnen würde".

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Links
EU-Kommission - Verkehr
Wikipedia - Lötschberg
BLS AlpTransit
Gotthardtunnel
Brennerbasistunnel