Zu Hause im Internet

Was.Wir.Wissen

Benjamin von Stuckrad-Barres neues Buch ist eine Ansammlung von Internetrecherchen. Die Autorenleistung besteht in der Auswahl der Google-Ergebnisse. Der Verfasser ist zwischen den Zeilen mehr oder weniger versteckt zu spüren.

"Es ist lustig, Radau zu machen."

Benjamin von Stuckrad-Barre landete 1998 mit seinem Debütroman "Soloalbum" einen Sensationserfolg. Der zwanglose Umgang mit Text und Inhalt löste in der deutschsprachigen Literatur einen notwendigen Vitalisierungsschub aus.

Liebkind der Medien

Während viele Popliteratur-Kollegen einen eher zurückgezogenen Lebensstil wählten, verbrachte Stuckrad-Barre seine Zeit damit, mit den verschiedensten Medien zu experimentieren. Nicht nur beruflich - er arbeitete als Redakteur, Gagschreiber und Moderator -, auch sein Privatleben wurde bis ins letzte Detail öffentlich zelebriert. Der medialen Erregung wurde fleißig Stoff geliefert: Beziehungen mit prominenten Frauen, Drogensucht, Absturz, Comeback, alles bestens dokumentiert.

Die Marke "Benjamin von Stuckrad-Barre" hat sich dann irgendwann verselbständigt, und heute steht sie weniger für Literatur als für Entertainment. Mit medialer Inszenierung und Starimage will Stuckrad-Barre aber nichts mehr zu tun haben: "Bildzeitung und Superstars sind überhaupt nicht meine Welt", sagt er.

Fröhliches googeln

Sein neues Buch heißt "Was.Wir.Wissen" und ist eine Ansammlung von Internetrecherchen, die nach zwölf Kategorien geordnet wurden. Als Suchbefehl dient jeweils eine Redewendung oder eine Alltagsphrase, wie etwa: "Womit lässt sich kein Staat machen?", "Mit der Versorgungsquote im Krippenbereich", "Mit Christa Sager beim Kaffee", und so weiter. Die Autorenleistung besteht in der Sammlung und in der Auswahl der Google-Ergebnisse. Der Verfasser ist zwischen den Zeilen mehr oder weniger versteckt zu spüren.

"Ich hab sogar einen Cameo-Auftritt", erzählt Stuckrad-Barre, "der ist in dem Kapitel 'Was ist Goethes Faust?' Da schreibt jemand völlig richtig: Anders als Benjamin von Stuckrad-Barre versteht es Goethe immerhin, einen Handlungsfaden durchzuziehen."

Spaß muss es machen

Der Eindruck drängt sich auf, dass dieses Buch vor allem dem Autor Spaß gemacht hat; was der Leser mit 270 Seiten Google-Ergebnissen anfangen soll, kümmert ihn wenig. "Ich hab' das immer so gemacht, einfach etwas ausprobiert", meint er. "Das fand ich immer noch besser als nach sieben Jahren so ein gut abgehangenes beschissenes Kehlmann-Buch zu schreiben. Da kann man sich doch gleich einsargen lassen."

Daniel Kehlmann ist nicht der einzige Schriftsteller, der sein Fett weg kriegt, aber er kommt dafür besonders oft vor. Warum, das klärt Stuckrad-Barre dann auch auf: "Na weil ich neidisch bin. Ganz einfach. Punkt aus. Mir geht auf die Nerven, dass Daniel Kehlmann ernst genommen wird."

Ein verständlicher Wunsch, aber in diesem Fall doch einigermaßen ambivalent, hat doch Stuckrad-Barre schon vor Jahren der herkömmlichen Literaturwelt, natürlich besonders dem staatlich subventionierten Literaturbetrieb und allem was damit zu tun hat, den Kampf angesagt: "Diese Art von Literatur hab' ich zu Hause kennen gelernt, das sind Bücher, die verkaufen sich scheiße, die stehen in der Zeit und wenn man zu Lesungen geht, dann stinkt's da. Das ist sozusagen Literatur. Das wollte ich nicht. Ich wollte nichts damit zu tun haben."

Bewahren Sie sich weiterhin ihr Mundwerk, Herr Stuckrad. Und wenn er nicht gestorben ist, lebt er heute noch, denn: "Ich sehe da auch eine Qualität drin, dass Leute einfach weiter machen. Fresse blutig, aber weitergemacht."

Buch-Tipp
Benjamin von Stuckrad-Barre, "Was.Wir.Wissen", Rowohlt Verlag, ISBN 3498063863