Andreas Zumach und seine Zukunftsperspektiven
Präventivkriege als Dauerzustand?
Ressourcen wie Öl oder Wasser werden knapper, neue Mächte wie China oder Indien erstarken, die Gewaltbereitschaft nimmt nicht ab: Droht eine Zeit, in der Krieg zum Dauerzustand wird? Der in Genf ansässige Journalist Andreas Zumach liefert eine Analyse.
8. April 2017, 21:58
Der deutsche Journalist zu den Ölressourcen
Gehen wir einer Epoche von Kriegen um Ressourcen und Machtgewinn entgegen? Droht eine Zeit, in der Krieg zum Dauerzustand wird? Mit diesen Fragen beschäftigt sich der renommierte deutsche Journalist Andreas Zumach in seinem Buch "Die kommenden Kriege".
Düsteres Szenario
Jahrelang anhaltende Kriege wie im Irak und in Afghanistan, die von den USA und ihren Verbündeten offenbar nicht gewonnen werden können, beherrschen das Weltgeschehen. Die Terroranschläge nehmen auch nach dem 11. September 2001 nicht ab, im Gegenteil! Auch das Ende des Ölzeitalters ist absehbar; die Ressourcen neigen sich dem Ende, und das bei wachsendem Energiebedarf in den USA, Europa, China, Indien und Japan. Immer bedrohlicher erscheint auch die wirtschaftliche Globalisierung mit ihren prekären Folgen wie Verlagerung von Firmen und dem Verlust von Arbeitsplätzen in den alten Industriestaaten: Es ist ein alles in allem düsteres Szenario, das künftig wenig Anlass zur Hoffnung auf bessere Zeiten gibt.
Drohen nach dem Krieg im Irak neue militärische Konflikte, etwa um den Iran, um Nordkorea oder vielleicht anderswo? Die Voraussetzungen dafür scheinen durchaus gegeben. Auch der deutsche Journalist Andreas Zumach, internationaler Korrespondent der Berliner Tageszeitung und weiterer Zeitungen und Rundfunksender in Genf, zeichnet in seinem Buch "Die kommenden Kriege" pessimistische Zukunftsaussichten. Ein Pessimismus, der nicht unberechtigt ist.
Der Kampf um Ressourcen
Die internationalen Konflikte könnten künftig noch härter und brutaler werden, macht Andreas Zumach in seinem Buch deutlich. Der Grund dafür: Die Reserven an fossilen Rohstoffen wie Erdgas und besonders Erdöl gehen zur Neige. Bis zur Mitte des Jahrhunderts werden die Ölvorräte der Welt praktisch aufgebraucht sein. Da Öl künftig immer knapper wird, der Verbrauch dagegen durch das immense Wirtschaftswachstum vor allem in China und auch in Indien noch gewaltig zunehmen wird, sind nach den Worten des Journalisten noch heftigere Verteilungskämpfe zu befürchten. In Gang sind sie - schreibt er in seinem Buch - spätestens seit den Anschlägen vom 11. September 2001.
Mit dem Irak-Krieg von 2003 habe die Missachtung des Völkerrechts ihren bisherigen Höhepunkt erreicht, zumal sämtliche Begründungen für den Krieg im Nachhinein falsch gewesen seien. Denn es gebe - so Zumach - keine Beweise für Massenvernichtungswaffen im Irak, und dass Saddam Hussein kein Verbündeter, sondern sogar ein vehementer Gegner Osama bin Ladens gewesen sei, hätten schon damals alle ernst zu nehmenden Experten gewusst. Der Hauptgrund für den Regimesturz in Bagdad war, dass der Irak über die zweitgrößten Ölreserven der Welt verfügt, betont der Journalist. Auch der von der Bush-Regierung proklamierte Krieg gegen den Terrorismus sei in erster Linie ein Krieg um Ressourcen.
Die so genannten Schurkenstaaten
Eine wichtige Rolle in der strategischen Planung der Bush-Regierung spielt seit jeher der Iran - er gehört für sie zu den Schurkenstaaten, zu den Ländern der so genannten "Achse des Bösen". Für Andreas Zumach liegt der Hauptgrund dafür nicht - wie von Washington offiziell behauptet - im Streben Teherans nach Atomwaffen, sondern ebenfalls in den reichen Ölvorkommen. Sollten die USA an ihrer Doktrin festhalten, präventive, also vorbeugende Kriege führen zu dürfen, sei ein militärischer Schlag gegen den Iran nicht undenkbar, wie auch konkrete Vorbereitungen auf militärischer und geheimdienstlicher Ebene beweisen würden, sagt Zumach. Zwar scheine ein solcher Krieg angesichts der Probleme im Irak derzeit eher unwahrscheinlich, sei aber keine Garantie für die Zukunft.
Dass es auch anders geht, dafür gibt es Beispiele aus jüngster Zeit: Einstige Schurkenstaaten wie Libyen gelten plötzlich nicht mehr als solche, und auch bei Nordkorea zeigt sich Washington seit heuer erstaunlich nachgiebig. Für Andreas Zumach liegt das vor allem an der geringeren Bedeutung dieser Länder für die Ressourcensicherung der USA.
Kritik an der EU
Wie dem auch sei, die künftigen Konflikte werden sich - da ist sich Andreas Zumach sicher - um die Sicherung der fossilen Rohstoffe drehen. Auch Europa trage da eine hohe Verantwortung. Der Journalist glaubt in diesem Zusammenhang, dass der EU-Beitritt der Türkei von manchen Staaten auch deswegen forciert wird, weil sie sich davon mehr Einfluss der EU in den Öl- und Erdgasgebieten im Mittleren Osten, im Kaukasus und in Zentralasien und überhaupt eine einflussreichere weltpolitische Rolle der EU erhoffen.
Andreas Zumach warnt auch vor einer militärischen Aufrüstung der EU. Sie sei keine wirksame Lösung zur Vermeidung künftiger Konflikte. So würden bis ins Jahr 2012 150 Milliarden Euro in militärische Projekte gesteckt. Die EU - so der Journalist - strebe eine weltweite militärische Handlungs- und Interventionsfähigkeit an, gerade um seine Interessen in rohstoffreichen Gegenden der Welt zu wahren.
UNO als Rettungsanker?
Angesichts der düsteren Zukunftsaussichten setzt der deutsche Politexperte auf eine Renaissance der UNO, die seiner Meinung nach besser ist als ihr Ruf. Sie habe zwar in ihrer 60-jährigen Geschichte Kriege nicht verhindern können, ohne sie - so ist Zumach überzeugt - hätte es aber noch mehr und noch schlimmere Kriege gegeben. Nur sie könne den Rahmen für internationales Recht bilden.
Nach Meinung des Journalisten müsste sie dafür mit mehr Geld und neuen Handlungskompetenzen ausgestattet werden. Das sei zwar nicht Ziel der USA, man könne aber auch gegen den Willen der USA und auch Chinas und Russlands viel erreichen, meint er. Das habe man beim Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz, beim Verbot von Antipersonenminen und beim Internationalen Strafgerichtshof gesehen. Zunächst hätten diese Ziele nur wenige Staaten vefolgt, jetzt seien ihnen aber mehr als drei Viertel der UNO-Mitgliedsländer beigetreten.
Möglich seien diese Erfolge durch die konsequente Zusammenarbeit von Staaten geworden, die die Dominanz einer Supermacht ablehnen. Sollte sie fortgesetzt und möglichst noch verstärkt werden, so könnten nicht nur Kriege um Ressourcen vermieden werden, auch die USA würden vielleicht langfristig wieder zu einer kooperativen Politik zurückfinden, sagt Andreas Zumach.
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Buch-Tipp
Andreas Zumach, "Die kommenden Kriege", Kiepenheuer & Witsch, ISBN 3462036416