Google-Mania

Die Google-Gesellschaft

Wenn Wissen Macht ist, sind Suchmaschinen Supermächte. Sie fungieren als Universalschnittstelle des Menschen zur digitalen Welt. Was sich nicht googlen lässt, fristet ein Schattendasein in der vernetzten Welt des Wissens.

Ergebnisse eins bis zehn von ungefähr 357 für "Ina Zwerger" (0:09 Sekunden). Der Blick auf das eigene "Ranking" in der Google-Suchmaschine mag zwar eitel erscheinen, kann aber von Zeit zu Zeit ganz aufschlussreich sein. Versatzstücke der eigenen Arbeitsbiografie tauchen auf, wie Artikel, Pressetexte oder Veranstaltungshinweise.

Manches ruft Erinnerungen hervor, an bestimmte Begegnungen, Erlebnisse und Stimmungen. Anderes überrascht, etwa weil der eigene Name zu unbekannten Websites führt und die eigene Verstrickung im globalen Google-Netzwerk sichtbar wird.

Googeln

Wer nach dem Wort "googeln" sucht, findet seit 2004 sogar einen Eintrag im Duden: "Internetrecherchen mithilfe einer Suchmaschine durchführen". Im Gegensatz zu "surfen", dass eher das ungerichtete Netzflanieren beschreibt, steht "googeln" für die zielgerichtete Nutzung des Internet als Informationsquelle.

Das neue Verb füllt damit nicht nur ein sprachliches Vakuum, sondern benennt auch eine neue Kulturtechnik. Denn wer das Potenzial des Internet, dieses enormen Wissensspeichers, nützen will, kommt ohne Suchmaschinen nicht aus.

Werden Kinder in Zukunft Rechnen, Schreiben, Lesen und "Googeln" lernen? "Wissen war gestern, 'Googeln' ist heute", schreiben Michael Schetsche und Kai Lehmann in ihrem vor kurzem erschienenen Sammelband "Die Google-Gesellschaft. Vom Wandel des Wissens".

Suchen statt Wissen

Im Jänner 2005 verzeichnete Google laut eigener Aussage zwar acht Milliarden Websites, ein erheblicher Teil des WWW dürfte allerdings fehlen. Doch was von Google & Co nicht gefunden wird, existiert wissenspraktisch nicht. "Dies macht Suchmaschinen zu Realitäts- und Machtmaschinen", so die Autoren der Google-Gesellschaft.

Michael Schetsche ortet einen radikalen Wandel im Umgang mit Wissen. Es entstehe ein riesiges Archiv, in welches das Wissen der Menschheit einverleibt werde. Gleichzeitig werde es immer schwieriger, wieder Informationen aus dem Netz zu entfernen.

Der Mediensoziologe sieht damit jegliche politischen Ansätze des 20. Jahrhunderts etwa zum Urheber-, Privatheit- oder Jugendschutz zum Scheitern verurteilt, weil sie "gegen die Funktionslogik des Netzes verstoßen". Längst stellt sich die Frage, ob Suchmaschinen wie Google, die de facto das Netzwissen universalisieren, nicht demokratisiert und von repräsentativen gesellschaftlichen Gruppen kontrolliert werden müssten.

Wirtschaftsfaktor Google

Die Machtposition von Google spiegelt sich auch zunehmend in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung wieder. Google gilt mittlerweile als absolute Nummer 1 im Suchmaschinengeschäft. Mehr als 4.000 Menschen arbeiten für das Unternehmen, das seit rund einem Jahr auch erfolgreich an der Börse notiert ist. Ohne für ihre wichtigste Dienstleistung - das Suchen nach Informationen - Geld zu verlangen, haben die Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin bereits ein Vermögen von jeweils 7,2 Milliarden Dollar angehäuft.

"Im Netz wird nicht mit, sondern nur mittels Informationen gehandelt", ist auch als Leitsatz zu den neuen Prinzipien der Google-Gesellschaft zu lesen. Ein Prinzip, das sich auf Expansionskurs befindet: Weitere Services wie Google Print, Google Library, Satellitenbilder und Landkarten per Google Earth, das jüngste Instant-Messaging-Angebot Google Talk oder die künftige Google-Videosuche werden den Zugang zu Wissen und Information weiter verändern.

Denn wer sucht heute noch in Archiven oder Bibliotheken nach Informationen, wenn der weltumspannende Wissensspeicher nur einen Mausklick entfernt ist? Die Autoren analysieren die neuen Wege zum Wissen und suchen nach Antworten auf die Frage: Welche Auswirkungen hat diese Entwicklung auf die Ausbildung und die Bewertung von Wissen?

"Das wichtigste Wissen besteht heute darin, was man nicht zu wissen braucht", bringt es der Medienphilosoph Norbert Bolz auf den Punkt. Und wer, außer vielleicht Kandidaten der Millionenshow, braucht den Brockhaus im Kopf, wenn freie Online-Lexika wie Wikipedia immer verfügbar sind?

Mehr zu Google-Print in oe1.ORF.at

Download-Tipp
Ö1 Club-Mitglieder können die Sendung nach Ende der Live-Ausstrahlung im Download-Bereich herunterladen

Buch-Tipp
Kai Lehmann, Michael Schetsche (Hrsg.), "Die Google-Gesellschaft. Vom digitalen Wandel des Wissens", Transcript Verlag, ISBN 3899423054

Mehr dazu in oe1.ORF.at