Alltagserfahrungen in der Nachkriegszeit

Erinnern für die Zukunft - Teil 3

Viele Texte, die aufgrund des Schreibaufrufs zum Gedenkjahr 2005 bei der "Dokumentationsstelle lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen", eingelangt sind, thematisieren die Problematik der Heim- und Rückkehr. Nicht alle Zurückkehrenden waren willkommen.

Fritz Roubicek war im Jahr 1938 vor den Nationalsozialisten zunächst in die Schweiz, dann nach Frankreich geflohen. Dort wurde er festgenommen und nach Auschwitz und Buchenwald deportiert.

Die Geschichte eines Rückkehrers

Nach seiner Befreiung kehrte er nach einer langwierigen Fahrt mit anderen ehemaligen KZ-Häftlingen nach Wien zurück. Er meldete sich mit seinen Kollegen im Gymnasium Wasagasse im 9. Wiener Gemeindebezirk, als Juden wurden sie abgewiesen mit der Begründung, das polnische Rote Kreuz am Rennweg sei zuständig.

Die KZ-Überlebenden wollten die Kultusgemeinde kontaktieren und machten sich auf in die Seitenstettengasse, wo sie die Auskunft bekamen, dass diese am Schottenring amtiere. Dort erlebten sie die erste angenehme Überraschung.

"Die Kultusgemeinde war in voller Tätigkeit, wir wurden freundlich begrüßt, man gab uns Legimitationen die in Englisch, Französisch und Russisch, die Auskunft gaben, wer wir seien. Das war, wie wir damals noch nicht wussten, wichtig. Denn wer auf der Straße von einer Militärstreife ohne Papiere angetroffen wurde, der lief Gefahr, sofort 'hopp' genommen zu werden", schreibt Fritz Roubiceks in seinen Erinnerungen.

Unbeliebt und unwillkommen

Dass Fritz Roubiceks Erinnerung an seine Heimkehr und das Gefühl, nicht wirklich willkommen zu sein, kein Einzelfall ist, zeigt die Geschichte von Susanne Bock.

Die Sprachwissenschafterin Susanne Bock, geboren 1920, wurde im Jahr 1938 aus Österreich vertrieben. Bereits im Jänner 1946 war sie nach Wien zurückgekehrt, und hat ihren Jugendfreund, den sie für tot gehalten hatte, wieder gefunden.

Damals sei es für Leute, die aus der zwangsweisen Emigration zurückkehrten, nicht leicht gewesen, Fuß zu fassen. "Sie waren unwillkommen, sie waren unbeliebt, man wusste nicht, was man mit ihnen anfangen sollte. Einfache Leute, die zuvor in einfachen Verhältnissen gelebt haben, die waren wirklich nicht willkommen", schreibt Bock.

Heimkehr aus der Gefangenschaft

Ganz anders erging es den ehemaligen Wehrmachtssoldaten bei ihrer Heimkehr aus der Kriegsgefangenschaft. Denn sie wurden zum Symbol für die angeblich wahren Opfer des Krieges stilisiert.

Heidemarie Uhl, Mitarbeiterin der Österreichische Akademie der Wissenschaften, schreibt, dass ehemalige Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten pauschal als verführte und betrogene Opfer einer unseligen Zeit bezeichnet wurden.

Zum Symbol für die Transformation des Opferbegriffs von den Opfern des NS-Regimes auf die Opfer des Krieges wurde die Figur des "Heimkehrers" und dessen emotional inszenierte Wiederaufnahme durch die "Heimat". Die "Heimkehrer" sind im visuellen und diskursiven Repertoire der Nachkriegszeit durchgehend präsent, "standardisierte Märtyrerbilder von zerlumpten Soldaten hinter Stacheldrahtzäunen überlagerten spätestens ab 1947 öffentlich-bildliche Darstellungen von NS-Opfern". Jene Männer, die in sowjetischer Kriegsgefangenschaft waren, erschienen nun als die wahren Opfer, wie die Briefmarkenserie, die anlässlich der Heimkehr der Soldaten herausgegeben wurde, zeigt. Zu sehen sind Leidende hinter Stacheldraht oder Erschöpfte, die zu ihren Familien heimkehren.

Spannungen und Konflikte

Aber auch diese Heimkehrer hatten zum Teil große Schwierigkeiten, sich in der Heimat und den vorgefundenen Situationen zurecht zu finden. Und litten, obwohl ihre Rückkehr von ihren Familien heiß ersehnt wurde, unter Orientierungslosigkeit und einem Mangel an Perspektiven.

Ihre Reintegration in die Nachkriegsgesellschaft führte laut der Historikerin Ela Hornung in den Familien teilweise zu massiven Spannungen und Konflikten, denn die Männer seien schlichtweg überfordert gewesen.

Download-Tipp
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Tipps
Wenn Sie selbst Erinnerungen zum Thema dokumentieren möchten, oder jemanden kennen, der dies tun möchte, so wenden Sie sich bitte an die Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen, die solche schriftlichen Geschichtszeugnisse in ihrem Archiv sammelt und wissenschaftlich aufarbeitet. Zu erreichen unter der Wiener Telefonnummer 04277/41306 bzw. per E-Mail.

"Erzählte Geschichte" steht auch im Mittelpunkt der Website 2005.ORF.at zum Gedenkjahr. Mit dem aktuellen Schwerpunkt "Alltag nach 45" haben Zeitzeugen die Gelegenheit zu erzählen, wie sie nach den Schrecken des Zweiten Weltkriegs die Rückkehr zur Normalität erlebten.

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