Ein Symposion im RadioKulturhaus
Nannerl & Co.
Als Auftakt zu den zahlreichen Veranstaltungen des Wiener Mozartjahres stehen schon jetzt die komponierenden Zeitgenossinnen Mozarts im Zentrum eines Symposions. Veranstaltet wird es von Wiener Mozartjahr 2006 von 18. bis 20. November im RadioKulturhaus.
8. April 2017, 21:58
Den Eröffnungsvortrag hält die Doyenne der der gendersensiblen Musikforschung, Eva Rieger, über Probleme und Möglichkeiten der Biografieforschung am Beispiel von "Nannerl" Mozart.
Wenn heute vom Wunderkind Wolfgang Amadeus die Rede ist, wird gern vergessen, dass die großen Europareisen der Mozarts von zwei Wunderkindern bestritten wurden. Zwar schreibt etwa Vater Mozart am Beginn seiner Wienreise des Jahres 1762 nach Salzburg:
Hauptsächlich erstaunet alles ob dem Buben und ich habe noch niemand gehört, der nicht sagt, dass es unegreiflich seye.
Dem gegenüber heißt es in einem Korrespondentenbericht des so genannten "Augsburger Intelligenz-Zettels" aus dem gleichen Jahr:
Stellen Sie sich einmal ein Mädgen von 11 Jahren vor, das die schweresten Sonaten und Concert der grösten Meister auf dem Clavecin oder Flügel auf das Deutlichste, mit einer kaum glaublichen Leichtigkeit fertiget und nach dem besten Geschmack wegspielt.
Ungleiche Lebenswege
Wolfgang und seine um fünf Jahre ältere Schwester Maria Anna, genannt Nannerl, galten also beide als Ausnahmetalente. Warum aus dem einen ein gefeiertes Genie und aus der anderen eine Salzburger Gelegenheits-Klavierlehrerin wurde, entwickelt die in Bremen lehrende Sozialwissenschaftlerin Eva Rieger in ihrer Biografie der Nannerl Mozart.
Darin bürstet sie die vergleichsweise spärlichen Fakten zum Leben der Mozart-Schwester gegen den Strich, interpretiert Textstellen konsequent aus einer weiblichen Perspektive und bringt lapidare Bemerkungen überwiegend männlicher Briefschreiber in den genderspezifischen Kontext fortschrittlicher Sozialgeschichtsschreibung. Denn das Bild der Nannerl Mozart ist zunächst nur ein Zerrspiegel aus den Briefen ihres Vaters. Zwischen 1784 und 1787 schreibt ihr der Vater mehr als 125 Briefe, die sich bis heute erhalten haben. Doch, so bemerkt Eva Rieger,
Obwohl sie fast jede Woche zurück schrieb, ist keine einzige Zeile aus ihrer Feder überliefert. Es ist durchaus denkbar, dass sie ihre Briefe später selbst wegwarf - denn sie ging konform mit der allgemeinen Meinung, dass das, was Frauen produzieren, a priori unwichtig ist.
Die Grenzen der Aufklärung
So zeigt Eva Rieger etwa die geschlechtsspezifischen Unterschiede, die der hervorragende Pädagoge Leopold Mozart bei der musikalischen Erziehung seiner beiden Kinder trifft. Während Wolfgang nicht nur an den Tasten- und Seiteninstrumenten ausgebildet wird, sondern auch Kompositionslehre und Orgel lernt, gilt letzteres für Frauen unschicklich und beides als unnütz. Es gibt in dieser Zeit eben keine weiblichen Kapellmeister. Auch ein aufgeklärter Geist, wie Leopold Mozart sah eine diesbezügliche Ausbildung als sinnvoll an.
Dabei gibt es Belege, dass Mozart seine Schwester als adäquate Gesprächspartnerin geschätzt hat, wenn es um die Einschätzung seiner Klavierkompositionen gegangen ist. Und es gibt sogar Briefstellen, in denen er seine Schwester zur weiteren Kompositionstätigkeit ermuntert.
Kinder, Küche, Kirche
Doch während Wolfgang Amadeus Mozart in die künstlerische Unabhängigkeit der Wiener Jahre aufbricht, ist Maria Anna Mozart genötigt, nach dem Tod der Mutter, ihrem Vater den Haushalt zu führen. Die späte Heirat mit dem St. Gilgener Verwaltungsbeamten Berchtold von Sonnenburg, wird nur eine Abhängigkeit durch die nächste ersetzen. Erst nach dem Tod des ungeliebten Gatten kehrt sie nach Salzburg zurück, um dort einen kulturell regen und aufgeschlossenen Lebensabend zu verbringen.
Mehr zum Wiener Mozartjahr 2006 in Ö1 Inforadio
Buch-Tipp
Eva Rieger, Nannerl Mozart, Leben einer Künstlerin, Insel Verlag 2005, ISBN 3458172661
Veranstaltungs-Tipp
Ein unerschöpflicher Reichthum an Ideen, Komponistinnen zur Zeit Mozarts und heute, Symposion im Wiener RadioKulturhaus, Freitag, 18. November bis Sonntag, 20. November 2005
Mehr dazu im Ö1 Kulturkalender
Link
Wiener Mozartjahr 2006