Konkurrenzkampf Europa versus Übersee wird härter
Der globalisierte Bacchus
Noch vor wenigen Jahren war Wein aus Chile, Südafrika oder Australien eine exotische Seltenheit. Mit geringen Kosten, großen Mengen und professionellem Marketing drängen die Winzer aus Übersee aber immer stärker auf den europäischen Markt.
8. April 2017, 21:58
Neowinzer Berthold Salomon über Exportchancen
Wer im Supermarkt Wein einkauft, findet immer mehr Angebote aus fernen Ländern. Rotwein aus Chile gehört keineswegs mehr zu den Exoten, ebenso wenig wie Rotwein aus Australien, Kalifornien oder Südafrika. Auch die Preise halten sich in Grenzen. Im Gegenteil: Ein passabler Rotwein aus Chile hält mit einem Italiener locker mit. Beim Preis ebenso wie bei der Qualität. Die Konkurrenz aus Übersee zeitigt daher auch erste negative Auswirkungen auf Europa.
Bordeaux in der Bredouille
Erstes prominentes Opfer des Konkurrenzkampfes mit Übersee ist Frankreich, genauer gesagt das Gebiet rund um Bordeaux. Dort herrscht derzeit Katzenjammer; nicht wegen der schlechten Weinqualität, sondern wegen der verfallenden Preise. Hinzu kommt noch der sinkende Weinkonsum der Franzosen. Auch eine gute Ernte wie 2004 ist schlecht für die Preise.
Angespornt von einst prächtigen Zukunftsaussichten wollten zu viele von der Spitzenmarke Bordeaux profitieren: Die Rebfläche wurde in den letzten 20 Jahren von 75.000 auf 120.000 Hektar ausgeweitet, und das hat das Fass jetzt buchstäblich zum Überlaufen gebracht. Hunderte Winzer in der weltweit berühmtesten Weinregion fürchten derzeit um ihre Existenz.
Der Kampf auf den Exportmärkten
Natürlich wird Frankreich jetzt nicht von Rotwein aus Chile, Australien oder Südafrika überschwemmt. Der Kampf spielt sich auf den Exportmärkten ab; und das sind jene Länder, die am meisten Wein importieren. Ganz vorne sind da Großbritannien und Deutschland mit jeweils rund zwölf Millionen Hektolitern im Jahr. Die USA an dritter Stelle fallen mit sechs Millionen Hektolitern da schon deutlich ab.
Die Produktion in den Weinländern der Neuen Welt ist dabei recht unterschiedlich. In Chile und in den USA sinkt die Produktion, in Südafrika, Australien und Argentinien steigt sie. Gemeinsam sind den neuen Weinproduzenten aber geringe Kosten, große Mengen und ein professionelles Marketing. Und damit punkten sie in den Regalen der Supermärkte in Europa und in den USA.
Kostenvorteile durch andere Bräuche
Die Weinländer der Neuen Welt versuchen auch, immer schneller auf sich ändernde Konsumgewohnheiten zu reagieren. Da spielt nicht nur mit, dass Rotwein weltweit einen wahren Siegeszug angetreten und Weißwein auf den zweiten Platz verdrängt hat - in Deutschland ebenso wie in Japan.
Der Barrique-Geschmack kommt nur mehr in europäischen Rotweinen von der Lagerung in Eichenfässern. Das schreibt die EU so vor. Außerhalb Europas herrschen andere Bräuche: Da kommen Eichenschnitzel in Stahltanks oder es werden Eichenholzstücke in den Rotwein versenkt. Der Kostenvorteil ist beträchtlich: zwei bis drei Cent je Flasche gegenüber rund zwei Euro je Flasche nach europäischen Vorschriften. Und die USA haben sich das Recht gesichert, Wein in Europa verkaufen zu dürfen, der nicht nach europäischen Vorschriften hergestellt wurde. Dazu kommen zum Beispiel in Chile extrem niedrige Lohnkosten bei der Ernte.
15 Prozent Exportsteigerung
Wein trinken soll sich - geht es nach den Marketing-Strategen aus Chile oder Südafrika - nicht nur auf besser verdienende Genießer mittleren Alters beschränken: Eine ausgeklügelte Markenstrategie nimmt ebenso jüngere Zielgruppen ins Visier.
Die steigende Bedeutung der neuen Weinproduzenten in Übersee lässt sich auch an den Exportzahlen ablesen: Die Weinexporte stiegen weltweit seit 2002 um 15 Prozent auf fast 75 Millionen Hektoliter. Neue Konkurrenten lassen sich schon sehen: Indien und China.
Noch europäisches Übergewicht
Trotz alledem ist der Wein nach wie vor eine vornehmlich europäische Sache: Die Hälfte der weltweit gekelterten, knapp 300 Millionen Hektoliter kommt aus Europa. Die größten Weinproduzenten sind Frankreich, Italien und Spanien. Es folgen mit großem Abstand die USA.
Die Internationale Weinorganisation sieht weltweit sowohl steigende Produktion als auch steigenden Konsum.
Weinzwerg Österreich
Österreich ist mit rund 2,5 Millionen Hektolitern Weinproduktion ein Zwerg. Dennoch können sich die heimischen Winzer international als kleine Anbieter besonders feiner Weißweine halten.
Beim Pro-Kopf-Verbrauch ist Österreich allerdings In der Weltrangliste relativ weit vorn: Mit gut 30 Litern pro Jahr an zwölfter Stelle, unmittelbar hinter Ungarn. Die Spitze halten Luxemburg, Frankreich, Portugal und Italien mit jeweils über 50 Litern pro Kopf und Jahr. Na denn Prost!
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Hör-Tipp
Mit innovativem Weinbau beschäftigt sich die Ö1 Sendung "Moment-Kulinarium" am Freitag, 18. November, 17:10 Uhr. Zu Wort kommt dabei auch der Horitschoner Winzer Franz Weninger, der die verschiedene Beschaffenheit des Bodens in seinen Weingärten zu nützen und mit der Sorte Blaufränkisch individuell verschiedene Weine zu schaffen versucht.
Links
OIV - Internationale Organisation für Rebe und Wein
Businessportal 24 - Bordeaux in der Krise
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Conchay Toro - chilenischer Weinproduzent
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