Die Zukunft des deutschsprachigen Religionsunterrichts

Religionen der Begegnung

Welche Berechtigung hat heutzutage noch der von den Kirchen verantwortete, konfessionelle Religionsunterricht in einer multireligiösen Gesellschaft? Mit dieser Frage befasste sich die "Internationale Religionspädagogische Jahrestagung“ in Wien.

Marion Schöber über religiöse Erziehung

Logopäden des Dialogs, religiöse Wissensvermittler, Orientierungshelfer im Supermarkt der Weltanschauungen - so werden sie mitunter genannt - die Religionslehrer und -lehrerinnen. Und betrachtet man die multikulturelle Gesellschaft in der heutigen schnelllebigen Zeit, so stehen sie künftig vor großen Herausforderungen. Einen Blick in jene Zukunft richtete auch die diesjährige "Internationale Religionspädagogische Jahrestagung" in Wien.

Auf eigenem Glauben aufbauen

"Religionen der Begegnung" - unter diesem Motto beschäftigten sich insgesamt 200 Religionslehrer aus Österreich, Deutschland und der Schweiz aus römisch-katholischer Perspektive u. a. mit der künftigen Weitergabe des Glaubens. Dabei wurde rasch klar, dass der Religionsunterricht der Zukunft zuerst die Begegnung mit der eigenen Religion ermöglichen muss.

Das Fundament des Dialogs müssten Überzeugungen sein, betonte etwa Karl Essmann vom Religions-Pädagogischen Institut der Erzdiözese Wien. Die verschiedenen Standpunkte hätten auf Wissen und Bildung zu beruhen, meinte auch Marion Schöber, die Vorsitzende des Deutschen Katecheten-Vereins. Sie fügte hinzu, dass auch von den Eltern mehr Zeit für die Erziehung ihrer Kinder aufgebracht werden müsste.

Neue Unterrichtsformen notwendig

Der deutsche Religionspädagoge Rudolf Englert plädierte für neue Formen des Religionsunterrichts und verwies in diesem Zusammenhang auf den islamischen Religionsunterricht in Österreich, den es in Deutschland und in der Schweiz bisher nur in Ansätzen gebe:

"Von insgesamt 82,5 Millionen Einwohnern leben etwa 3,2 Millionen Muslime in Deutschland, von den 7,3 Millionen Einwohnern in der Schweiz sind es mehr als vier Prozent; denselben prozentuellen Bevölkerungsanteil hat Österreich. Die Tendenz ist überall stark steigend. Die muslimischen Gemeinden sind in der Regel jung und kinderreich - und daher von allen Fragen, die mit der Schule zusammenhängen, besonders betroffen".

Modell Österreich

Welch große Herausforderung der Religionsunterricht für den Islam bedeutet, unterstrich Amir Zaydan, Direktor des Islamischen Religionspädagogischen Instituts in Wien:

"In Österreich gibt es den islamischen Religionsunterricht zwar schon seit 1982, eine eigene religionspädagogische Akademie für die Ausbildung der Lehrer aber erst seit 1998". Schon seit damals sah Zaydan die Entwicklung einer eigenen islamischen Religionspädagogik als Hauptaufgabe seines Instituts an:

"In Wien ist die gesetzliche Unterrichtssprache Deutsch, selbstverständlich auch im islamischen Religionsunterricht. An der islamischen religionspädagogischen Akademie wurden aber lange die theologischen Fächer auf Arabisch - in der Sprache des Koran - gelehrt, heute ist dies nur noch vereinzelt der Fall. Eine echte sprachliche "Inkulturation" des Islam wird aber noch einige Zeit dauern. Hinzu kommt noch, dass eine kindgerechte Terminologie für die Schule überhaupt noch fehlt".

Moratorium und Eigeninitiative

Für ein "Moratorium" in der Wahrheitsfrage plädierte Dietrich Wiederkehr, emeritierter Professor für Fundamentaltheologie an der Universität Luzern. Nur dann sei - so Wiederkehr - ein Gespräch für einen interreligiösen Dialog auf gleicher Augenhöhe möglich, ohne auf den eigenen Wahrheitsanspruch zu verzichten. Er riet auch dazu, in der Praxis des Religionsunterrichts der praktischen Intuition zu folgen und nicht auf die Fortschritte der theologischen Forschung zu warten.

Eines kam jedenfalls bei allen Teilnehmern der diesjährigen religionspädagogischen Jahrestagung klar und deutlich zum Ausdruck: Der Religionsunterricht - auch der konfessionelle - muss künftig in erster Linie zum Ort der Begegnung mit anderen Religionen werden.

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