Die Sehnsucht nach Bedeutung

Lebensübergänge

Bei der Taufe wird ein Kind in eine Gemeinschaft aufgenommen, wenn zwei Menschen heiraten, werden die Hochzeitsgäste Zeugen ihrer Liebe und der Absicht, gemeinsam zu leben. Zu allen Lebens-übergängen gibt es Rituale, die Menschen in Gemeinschaft feiern.

Was braucht ein Ritual?

Praktizieren Sie Rituale? Sie schmücken keinen Christbaum, gehen zu Allerheiligen zu keinem Grab, leben mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin unverheiratet zusammen und haben Ihr Kind nicht getauft? Wahrscheinlich haben Sie trotzdem eine Sehnsucht nach Ritualen, und haben nur noch nicht die richtigen gefunden.

Fixpunkte suchen

Gerührt sein, sich berühren lassen. Das ist ein Kernpunkt bei allen Ritualen, die Menschen pflegen und denen sie in ihrem Leben zu bestimmten Zeiten einen bestimmten Platz einräumen.

Veränderungen in unserer Gesellschaft, vor allem der veränderte Stellenwert der Kirche und kirchlicher Traditionen, haben auch dazu geführt, dass viele Rituale nicht mehr so selbstverständlich sind wie sie einmal waren. Wer kirchlichen Ritualen nichts abgewinnen kann, aber trotzdem große Ereignisse würdig zelebrieren möchte, kann sich entweder auf die eigene Kreativität verlassen, oder mit professioneller Hilfe ein Ritual entwickeln, das den eigenen Bedürfnissen entspricht.

Der Blick dahinter

Es war die Sehnsucht nach positiven Erlebnissen mit Ritualen, die Johanna Neußl dazu bewegt hat, auf die Suche zu gehen. Und sie ist zur Überzeugung gelangt, dass diese Sehnsucht in allen Menschen steckt: "Es kann sein, dass durch schlechte Erfahrungen die Sehnsucht nach Ritualen überdeckt wurden. Aber ich habe durch all die Beobachtungen und Gespräche, die ich gemacht habe, herausgefunden, dass diese Sehnsucht da ist und dass es darum geht, diese Sehnsucht herauszufiltern und auch zu schauen, welchen Rahmen kann man der Sehnsucht geben. Der Rahmen ist sehr unterschiedlich und lässt sich sehr selten in Muster pressen oder in vorgegebene Formen."

Alte Symbolik hinterfragen

Vor allem negative Erfahrungen mit der Kirche scheinen diese Sehnsucht nach Ritualen zu überdecken: "Ich ganz persönlich habe viele Rituale in der Kirche als sehr leer und hohl erlebt. Dies hat mich sehr oft sehr traurig gemacht. Ich habe genauso in Gesprächen mit Menschen erfahren, dass sie sagen, es darf auf keinem Fall so sein, wie es in der Kirche ist, wenn man jetzt ein Ritual entwickelt. Es gibt hier ganz tiefe Ablehnungen - Aversionen gegen ein weißes Taufkleid oder eine Taufkerze zum Beispiel. Es ist dann die wichtige Arbeit mit dem Menschen herauszuarbeiten, ob es denn für ein weißes Taufkleid eine Bedeutung gibt, unabhängig von dem was die Kirche ihm gegeben hat. Was könnte denn das bedeuten? Was würde eine Kerze im Zusammenhang mit der Geburt eines Kindes bedeuten? Es geht für mich darum, etwas tiefer bei den Symbolen und Gegenständen zu graben, die verwendet werden. Ich suche nach einer Bedeutung, die für die Menschen Sinn gibt und Sinn macht."

Das tut Johanna Neußl in ihrer Tätigkeit als Ritualberaterin. In der Fachschule für Rituale in der Schweiz hat sie vor allem eines gelernt: Dass Rituale etwas höchst Individuelles sind. Sie hat daher keinen Ritualkatalog, den sie in der Beratung vorlegen kann. Der Lebensübergang, an dem sich jemand befindet, etwa vor einer Heirat, mit der Geburt eines Kindes oder nach einem Abschied, ist einzigartig und verlangt nach einem persönlichen Rahmen.

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Rituale-Beratung