Hardcore Folk

Alte und junge Stars

Salif Keita ist einer der charismatischsten Sänger unserer Zeit und eine Ikone afrikanischer Musik; sechs "Dorfmusiker" aus Warschau, fleißig wie die Ackergäule und radikal bis zum Anschlag; und Ion Petre Stoican, eine Stimme aus der Vergangenheit.

Wäre alles so, wie es ohne Kolonialmächte geworden wäre, dann wäre Salif Keita auch nicht König seines Volkes geworden: Albino zu sein ist in Afrika ein Unglück, und nicht einmal hohe Herkunft kann vor den Folgen bewahren. Sollte jemand wissen wollen, was "Hardcore Folk" ist, dann sollte sich derjenige mit der Musik der Warsaw Village Band auseinander setzen. Wahnsinn! Und beinahe ein Abenteuerroman ist die Story, wie es einem hervorragenden, Connections-losem Geiger in Rumänien gelungen ist, dennoch zwei Platten zu machen!

Salif Keita Superstar

Er ist der Superstar der afrikanischen Popmusik, eine "Ikone der westafrikanischen Musik", einer der charismatischsten Sänger unserer Zeit: Salif Keita. Als Albino geboren, daher ein Stigmatisierter, aus höchstem Adel, daher für den Musikerberuf "nicht vorgesehen", entschied er sich dennoch, entgegen aller Konvention, sich der Super Rail Band du Bamako anzuschließen. Erfreulicherweise!

Er liebt es, seine Musik im Bild eines Baumes zu sehen: wurzelnd in der uralten musikalischen Tradition Afrikas, mit Zweigen, die sich in alle Richtungen - Jazz, Funk, Reggae, Pop etc. - genüsslich ausbreiten. Und seine neue CD "M'Bemba" gehört für mich zu seinen schönsten!

Am 1. November 2005 gastiert Salif Keita als unbestrittener Höhepunkt des an Höhepunkten reichen Festivals Salam.Orient im Wiener Konzerthaus. Falls Sie noch eine Karte ergattern können, und sei es bloß ein Stehplatz: Gehen Sie hin! Er wird Ihnen ein unvergessliches Erlebnis bleiben!

Warsaw Village Band

Sie sind mit Sicherheit die wildeste "Folk"-Band, die zur Zeit die Ohren ihres Publikums bestürmt. Sie "haben die Nase voll von der Engstirnigkeit und Einförmigkeit der so genannten Popmusik, die über die Massenmedien verbreitetet wird. Dieser Mainstream verkleistert alle musikalischen Unterschiede, lässt in den Hirnen nur mehr Einheitsbrei über und führt schließlich zur kompletten Destruktion der menschlichen Würde."

Radikale Töne, die die sechs "Dorfmusiker" von sich geben. Aber so, wie sie spielen, meinen sie es ernst: Als wollten sie das geteilte, geschändete, gedemütigte Polen mit ihrer Musik zu neuer Glorie führen - was übrigens schon damals einem gewissen Frederic Chopin nicht gelungen ist. Kaum je zuvor hatte der Ruf "Back to the roots" einen so kulturkritischen Impetus - und eine derart neue wilde Musik hervorgebracht wie es der Kapela Ze Wsi Warszawa, auf deutsch: der "Kapelle aus dem Dorf, das Warschau heißt", die sich mittlerweile aussprechfreundlich englisch "Warsaw Village Band" nennt, gelungen ist. "Uprooting" heißt ihre aktuelle CD und ist wie sie: schrill, wild, intensiv, absolut hörenswert!

Zusammengefunden haben sich die sechs Musiker, die zwischen 20 und 33 Jahre alt sind, im Jahr 1997, und schon das erste Konzert war ein großer Erfolg. Seither eilen sie von Preis zu Preis, von Festival zu Festival, arbeiten wie die Ackergäule (glauben Sie nicht? Schauen Sie mal auf ihre Konzert-Liste!) und sind demnächst in Linz (2. November), Wien (3. November) und Salzburg (6. November) zu hören.

Authentisches aus Rumänien

Es muss für den 35-jährigen Ion Petre Stoican ein erhebender Moment gewesen sein, als ihm die Geheimpolizei einen Wunsch freigab, weil er ihnen einen lang gesuchten Spion ins Hauptquartier geliefert hat. Er wünschte sich, eine Platte aufnehmen zu dürfen, was ihm gewährt wurde: 1966 publizierte der rumänische Monopolist Electrecord eine Platte mit vier Nummern des bis dahin unbekannten Geigers.

Es muss ein absolutes Spitzengefühl gewesen sein, als ihm dieser Coup im Jahr 1977 ein zweites Mal gelang, nach einem ausgefüllten Musikerleben in Constanza, dem damals mondänsten Badeort am Schwarzen Meer, mit einem Riesendossier seiner alten Spionfanggeschichte unterm Arm. Noch einmal gab "die Behörde" grünes Licht, und Ion Petre Stoican trommelte für dieses Projekt die aufregendsten Musiker zusammen, die zu kriegen waren. Das Ergebnis ist heute noch ein Erlebnis! Nur schade, dass er selbst die Wiederauflage nicht mehr erleben kann: Ion Petre Stoican starb kurz nach dem Sturz Ceausescus.

CD-Tipps
Salif Keita, "M'Bemba”, EMI 0602498312278

Warsaw Village Band, "Uprooting”, Jaro 4261-2

Sounds from a bygone Age, Vol. 1, "Ion Petre Stoican - Romania”, Asphalt Tango CD-ATR 0805

Veranstaltungs-Tipps
Salif Keita, Dienstag, 1. November 2005, 19:30 Uhr, Konzerthaus, Wien

Warsaw Village Band, Mittwoch, 2. November 2005, 20:00 Uhr, Posthof, Linz

Warsaw Village Band, Donnerstag, 3. November 2005, 20:00 Uhr, Sargfabrik Wien

Warsaw Village Band, Sonntag, 6. November 2005, 17:00 Uhr, Jazzit Salzburg

Ö1 Club-Mitglieder erhalten an allen Veranstaltungsorten ermäßigten Eintritt.

Links
Universal Music - Salif Keita
Warsaw Village Band
Asphalt Tango Records
Salam.Orient