Tribute to Friends
Ravels "Le Tombeau de Couperin"
In seiner Urform war "Le Tombeau de Couperin" ein Klavierwerk, 1917 vollendet. Darin verarbeite Ravel seine Neigung zum Übernatürlichen. Das Stück ist nicht nur eine Verbeugung vor Couperin, sondern auch Erinnerung an im Krieg gefallene Freunde.
8. April 2017, 21:58
"Hell und gläsern hat Theodor W. Adorno die Ravelsche Melancholie umschrieben. Zeit seines Lebens war er vernarrt in Ravels "Tombeau. Er nannte das Stück dessen "archaistisches Hauptwerk" und erkannte, dass die Suite unter ihrer perfekten, klassizistischen Oberfläche eine echte Trauermusik ist. Unter besonders schönen Stellen merkte er in einer Rundfunksendung den Beginn des zweiten Satzes in der Orchesterfassung der Forlane an.
Berückende Stellen
"Die Stelle berückt, schreibt Adorno, "mit welkem, sich selbst entblätterndem Duft. Durch den ganzen Satz geht ein punktierter Rhythmus, der nie schleppend werden darf.
Das Stück hat viel Charme und manchmal auch Leidenschaft. Wenn die Forlane zu langsam und behäbig daherkommt, der punktierte Rhythmus nicht wirklich gespitzt ist, verliert der Satz an Raffinesse und Pikanterie.
Pianistisches Finale
In seiner Urform war "Le Tombeau de Couperin" ein Klavierwerk, sein letztes, mit dem Ravel im Sommer 1914 begann. 1917 war die Arbeit vollendet, die Uraufführung fand zwei Jahre später in Paris statt.
Die Suite weist sechs Abschnitte auf: Prélude-Fugue-Forlane-Rigaudon-Menuet-Toccata (die Fuge und die Toccata sind in der orchestrierten Ballettversion nicht enthalten). Ravel kündigte die Pianistin vor dem Konzert mit den Worten an: etwas wird sicher passieren. Vielleicht fallen die Beine des Klaviers ab. Er spielte hier weniger auf die Schwierigkeiten der Stücke an, als auf die Widmungsträger. "Le tombeau" ist nicht nur eine Verbeugung vor den Cembalokünsten eines Francois Couperin, sondern Erinnerung an im Krieg gefallene Freunde: jeder Satz trägt einen Namen, ein "à la memoire.
Ravel hatte einen Hang zum Übernatürlichen und wappnete sich mit Worten im Konzert vor möglichen Poltergeistern der angesprochenen Seelen. Zu Marguerite Long sagte er nach der Uraufführung, dass er nicht verstehe, wie sie die Fuge ohne Fehler zu machen auswendig spielen könne. Natürlich trat der Tausendfüsslereffekt ein: prompt verspielte sie sich beim nächsten Mal und beschloss, diesen Satz bei ihren Konzerten in Hinkunft wegzulassen.
Abschiedsaura
Ravel-Biograf Hanns Heinz Stuckenschmidt über den tönenden Nachruf, genannt "Tombeau". "Das ganze Werk trägt die Aura von Abschied. Ravel tritt gleichsam aus dem Land der Jugend und Kindheit in das des Lebensernstes. Die schöpferische Ausbeute dieser Situation ist eine Art von Verzicht, ein Verschleiern und Verbergen von Abgründen der Erfahrung hinter einer hellen und beinahe galanten Verkleidung. Plötzlich nimmt dieses harte, dandistische Wort, dass er einmal geäußert hat, einen ganz neuen Sinn an: man muss Kopf und Unterleib haben, aber kein Herz.
Die Gefühle sind vergänglich; selbst die antiken Tragödien und großen Mythen verdanken ihre Unsterblichkeit nicht der seelischen Emotion, die sie auslösen, sondern der Form, die ihnen die künstlerischen Sinne und der Verstand ihrer Autoren gegeben hat. So tritt auch in Ravels "Tombeau" die Gefühlsbewegung zurück hinter die harte, gemeißelte und klassisch geordnete Form.
CD-Tipps
Maurice Ravel, "Le tombeau de Couperin, SWR Stuttgart Radio Symphony Orchestra unter Sergiu Celibidache, DG 453 197-2 LC 0173
Maurice Ravel, "Le tombeau de Couperin, Orchestre de Paris unter Herbert von Karajan, EMI 7 63526 2
Maurice Ravel, "Le tombeau de Couperin, Orpheus Chamber Orchestra, CD 449 186-2
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