Heiligenverehrung - damals und jetzt
Wer sind die Heiligen?
Die große Welle von Heilig- und Seligsprechungen unter dem letzten Papst hat den Begriff "Heilige" wieder ins Gespräch gebracht. Wer ist heilig? Im Verlauf der Geschichte des Christentums gab es darauf sehr unterschiedliche Antworten.
8. April 2017, 21:58
Der Fotograf Gustav Bergmeier über den Begriff "Heilige"
Der eine trägt einen Kardinalshut, der andere windet sich auf einem glühenden Rost, wiederum eine andere hält ein Buch in der Hand, eine andere den Pilgerstab oder eine Lilie; so manch einer hält eine Gans fest, oder auch einen Geldbeutel...
Die Heiligen an den Wänden und Altären der katholischen Kirchen gehören zum geistigen Leben eines Katholiken irgendwie dazu. Sie sind auch aus der abendländischen Kunstgeschichte nicht wegzudenken.
Wer ist heilig?
Ein kleiner Ausflug in die Geschichte des Christentums führt zu den unterschiedlichsten Antworten. In der Frühzeit des Christentums gab es nur "Gemeinden der Heiligen" - dazu gehörten alle, die getauft waren und an Christus glaubten.
Mit dem Beginn der Christenverfolgung entwickelte sich ein Märtyrerkult. Als im Gerichtssaal von Karthago am 17. Juli 180 drei Männer und drei Frauen es ablehnten, ihren Kaiser als obersten Herrscher anzuerkennen und sich dazu bekannten, nur Gott als ihrem Herrn zu dienen, wurden sie zum Tode durch Enhthauptung verurteilt.
Aber nicht alle waren so mutig und standhaft wie diese sechs Christen. Und so kam es, dass diese Märtyrer, die Zeugnis für den Glauben an Christus gaben, in besonderer Weise geehrt wurden. Diese christlichen Helden waren aber - so der Wiener Kirchenhistoriker Rupert Klieber - keine Draufgänger und Kämpfer; ihre Stärke war ihre Leidensfähigkeit.
Die Wüstenväter und -mütter
Als das Christentum im vierten Jahrhundert Reichsreligion wird, enden die Christenverfolgungen. Wer jetzt nach einer Bewährung seines Glaubens suchte, ging in die Wüste und wurde Mönch oder Nonne.
Ein berühmtes Beispiel hiefür ist der Einsiedler Antonius, der allein ein überaus strenges asketisches Leben führte. Als nach 20 Jahren Bekannte seine Behausung mit Gewalt öffneten, trat er als strahlende Erscheinung heraus, weder mitgenommen von dem Mangel an Bewegung, noch geschwächt vom Fasten.
In Syrien, das damals ein Herzland des Christentums war, entstand ein ganz besonderer Typus - der asketische Heilige. Da gab es z. B. Simeon, den Säulensteher, der sein Leben auf einer Säule stehend verbrachte.
Zu Zeiten der Warlords
Mit der Völkerwanderung änderte sich nahezu alles. Mit dem Untergang des Weströmischen Reiches entstanden eine ganze Reihe von kleineren Königreichen. Bei den so genannten "Warlords" - Fürst Theoderich der Große oder etwa der Frankenkönig Chlodwig Christen - zählten die asketischen Ideale nicht mehr viel. Es entstand eine gewalttätige Kultur, die gewalttätige Heilige hervorbrachte: der neue Typus des christlichen Heiligen war der Kriegerkönig.
Vorchristliche Traditionen beeinflussten nun die Sicht auf die Heiligen. Denn Heilige waren nun nicht mehr nur Vorbilder, sondern man erwartete von ihnen auch konkreten Nutzen.
Asketische Kämpfer und Christenritter
Mit dem Zeitalter der Kreuzzüge, die sich nicht nur gegen die Araber, sondern auch gegen die heidnischen Völker in Osteuropa richteten, entstand ein neuer Typus des Heiligen: "Der asketische Ordensmann wird mit dem tapferen Kämpfer gekreuzt. Die Heiligen haben nun auch ihren festen Platz im christlichen Kosmos - denn jeder Tag des Kalenders ist mit mindestens einem Heiligen besetzt", erzählt Rupert Klieber.
Seit dem 13. Jahrhundert gibt es ein standardisiertes Verzeichnis der Heiligen, den so genannten Kanon. Humanisten und Reformatoren kritisierten den Heiligenkult der römisch-katholischen Kirche, doch das tat der Heiligenverehrung keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil! Gerade durch die Gegenreformation entstanden neue Typen von Heiligen, z. B. der Gründer der Jesuiten, Ignatius von Loyola, dem im Kloster auf dem Montserrat eine gnadenhafte Erleuchtung widerfuhr: Nach einer Verletzung als Militarist weihte er seine Waffen der Jungfrau Maria und pilgerte nach Jerusalem. Später - zum Priester geweiht - pilgerte er mit seinen Freunden nach Rom und gründete dort den Jesuitenorden, eine Gemeinschaft der "Christenritter".
Heiligentypen der Neuzeit
Wieder eine andere Kategorie waren die heiligen Ritter des Mittelalters.
In der Neuzeit wurden Menschen dann Heilige, wenn sie bestimmte christliche Tugenden in besonderem Maße lebten. Unter den totalitären Systemen des 20. Jahrhunderts entstanden neue Typen von Heiligen: Menschen etwa, die nach dem Evangelium lebten und dafür auch ihr Leben einsetzten - wie z. B. der Erzbischof von El Salvador, Oscar Romero; sie leben und sterben heiligmäßig, auch wenn sie vielleicht nie zur "Ehre der Altäre" gelangen. Und dann gibt es Personen, die aus kirchen- und anderen politischen Gründen heilig gesprochen wurden.
Nicht alle Heiligen waren große Geister - bei manchen ging es vor allem um die Repräsentation, die Publicity oder auch um den Status - von wem auch immer. Das ist bis heute so, wie skeptische Zeitgenossen bei manchen der vielen Heiligen feststellen, die in der jüngeren Vergangenheit den Status eines Heiligen erlangt haben.
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Ökumenisches Heiligenlexikon