Hand, Hirn und Herz
Wallace & Gromit
Ein englischer Käseliebhaber im grünen Pullunder und sein so treuer wie gewiefter Hund sorgen seit rund zwei Jahrzehnten im Kino für wahre Sympathiestürme. In "Wallace & Gromit auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen" erstmals nun auch in Spielfilmlänge.
8. April 2017, 21:58
Schrullig und weltfremd der eine, ein Grübler und oft die Stirn in Sorgenfalten legend der andere. Helden im Kino sehen üblicherweise anders aus - zumindest wenn man das Gros der Filme im Gegenwartskino betrachtet, in denen Helden vor allem stark, schön oder schnell sind. Und dennoch sind der Käsefetischist Wallace und sein treuer Vierbeiner Gromit im neuesten Aardman-Abenteuer ein Beispiel wahren Heldentums, das sich vor allem der Menschlichkeit verpflichtet fühlt, auch wenn man es mit einer höchst tierischen Angelegenheit zu tun hat: Eine Kaninchenplage wird nicht mit Gewehr und Gewalt, sondern mit einem Kaninchensauger unter Kontrolle gebracht.
Mystery-Horror-Thriller
Trotz fortgeschrittener Computertechnik werden Wallace und Gromit nach wie vor aus Plastilin modelliert und per Hand animiert. Auch diesmal hat Nick Park einen Animationsfilm gemacht, der Muster und Motive diverser Spielfilmgenres aufgreift und variiert. Von großer Liebe ist da die Rede, von einem großmäuligen Nebenbuhler und dessen Eifersucht; waghalsige Action treibt eine Geschichte voran, die sich mehr und mehr zu einem Mystery-Thriller mit Horroreinschlag entwickelt.
Kaninchen-Verwandlung
Hinter einem Riesenkaninchen, das den traditionellen Gemüsewettbewerb in einer britischen Kleinstadt gefährdet, steckt eine seltsame Verwandlung, die im Originaltitel "The Curse Of The Were-Rabbit" angedeutet wird. Parallelen zum Werwolf-Motiv seien also keineswegs zufällig, sondern ganz im Gegenteil beabsichtigt. Und anstelle von Fleisch und Blut habe es dieses Monster auf Gemüse abgesehen. Er habe, so Nick Park, den ersten "vegetarischen Horrorfilm" gedreht.
Ob Frankenstein oder King Kong, ob der Filmklassiker "Brief Encounter" von David Lean für Käseliebhaber zu "Brie Encounter" mutiert oder Gromit sein Diplom in Dogwarts gemacht hat, an Zitaten und Verweisen aus der Film- und Kulturgeschichte fehlt es auch diesmal nicht.
Handarbeit
Hinter dem leichtfüßigen Vergnügen steckt harte Arbeit. Rund fünf Sekunden Film pro Woche schafft ein Animator im Schnitt, 30 davon waren am Werk, insgesamt wurden 2,8 Tonnen Plastilin verarbeitet, um neben 43 Gromit- und 35 Wallace-Figuren auch noch rund 500 Hasen zu modellieren. Trotz nüchterner Fakten versprüht "Wallace & Gromit auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen" viel Witz und Charme, oder wie es im ebenfalls zitierten Fritz Lang-Klassiker "Metropolis" heißt: "Mittler zwischen Hand und Hirn muss immer das Herz sein".
Wallace & Gromit auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen
(Wallace & Gromit: The Curse of the Were-Rabbit)
GB, 2005
Drehbuch und Regie: Nick Park, Steve Box