Rudolf Ekstein, Psychoanalytiker und Sozialdemokrat

Ein Leben für psychisch kranke Kinder

Im Frühling starb in den USA einer der letzten großen Psychoanalytiker mit österreichischen Wurzeln: Rudolf Ekstein, der auch in der Emigration begeisterter Wiener und begeisterter Sozialist geblieben war. Und ein Freund der Gartenzwerge.

Expertenmeinungen über den Kinderpsychologen

Von den Nazis in die USA vertrieben, hat Rudolf Ekstein sein Leben der Welt psychisch kranker Kinder gewidmet. Er war ein begeisterter Sozialist, begeisterter Wiener und hatte eine Schwäche für Gartenzwerge. Zeit seines Lebens trachtete der in die USA emigrierte Psychoanalytiker danach, Psychotherapie, Schulpädagogik und Sozialarbeit miteinander zu verbinden. Im März dieses Jahres verstarb Ekstein, der jährlich immer wieder als Gastprofessor in seine Heimatstadt zurückkehrte, in Los Angeles.

Der "rote Rudi"

Geboren wurde Rudolf Ekstein, Sohn eines jüdischen Buchhalters, 1912 in Wien. Bereits während seiner Schul- und Studentenzeit engagierte er sich bei den roten Falken. An der Wiener Universität lernte er Psychologie und Philosophie, unter anderem bei Moritz Schlick, Max Adler und Charlotte Bühler.

Seine Studienzeit war von den aufkommenden Nazi-Unruhen geprägt. Faschistische Studenten stürmten mit "Juda verrecke"-Parolen durch die Universitätshallen; sein von ihm verehrter Lehrer Moritz Schlick wurde ermordet.

Nach der Etablierung des Austrofaschismus 1934 setzte Ekstein den politischen Widerstand im Untergrund fort. Im Rahmen seiner Studien wandte er sich immer stärker der Psychoanalyse und Anna Freud zu. Der Anschluss 1938 bedeutete auch das Ende der psychoanalytischen Bewegung in Österreich.

Karriere in den Vereinigten Staaten

Rudolf Ekstein emigrierte in die USA - mit 20 Dollar in der Tasche. Dort begann er eine erfolgreiche wissenschaftliche Laufbahn und unterhielt auch eine viel frequentierte therapeutische Praxis. Sein politisches Engagement lebte er dort nicht mehr durch die Mitgliedschaft bei einer Partei aus, ließ es aber in seine Arbeit einfließen. Als Ekstein im Jahr 1938 in den USA ankam, setzte er seine psychoanalytischen Studien fort und ließ sich zusätzlich zum Sozialarbeiter ausbilden. Später erlangte er internationalen Ruf durch seine Konzepte für die Ausbildung und die Supervision von Lehrern und Therapeuten, vor allem jedoch für seine Arbeit mit psychisch kranken Kindern.

Rudolf Ekstein war ein Pionier der Psychosetherapie. Die Psychose ist jener Ausnahmezustand, in der der psychisch Kranke von seinen inneren Bildern überflutet wird und ganz in seinen Vorstellungen und Ängsten gefangen bleibt. Ekstein legte besonderen Wert auf eine besonnene Grundhaltung dem Patienten gegenüber: Sich zurücklehnen, sich Zeit nehmen. "Es ist immer die Beziehung, die heilt“, schreibt Ekstein in einem Vortrag 1988. Der psychotherapeutische Heilungsprozess brauche viel Zeit und einen geschützten Rahmen, in dem sich das Kind angenommen fühlt.

Aussöhnung mit Österreich

Seit den 60er Jahren kehrte Ekstein wieder regelmäßig nach Österreich zurück. Als Gastprofessor an der Universität und in reger Supervisionstätigkeit für Wiener Kliniken unterrichtete er Lehrer und Lehrerinnen, Sozialarbeiter und Psychotherapeuten. Und das, obwohl er sich nach seiner erzwungenen Emigration geschworen hatte, nie wieder nach Österreich zurückzukehren und nie wieder Deutsch zu sprechen. Mit beiden Vorsätzen hat er jedoch bald gebrochen, denn Ekstein hing mit leidenschaftlicher Liebe an Wien.

Das Wiener Ekstein-Schulzentrum

Im Jahr 1998 wird auch eine Wiener Schule für Kinder mit besonderen Bedürfnissen zum Rudolf-Ekstein-Zentrum. Hier unterrichten LehrerInnen, die sich Eksteins einfühlsame Grundhaltung zu Eigen gemacht haben, in so genannten Mosaik-Klassen zu je sechs Kindern. Außerdem wird dort auch die Arbeit der PsychagogInnen verwaltet. Das sind eigens ausgebildete SpezialistInnen in psychoanalytischer Pädagogik, die an Wiener Regelschulen auffällige Kinder therapieren. Ihre Betreuung soll Kindern, die ohne Unterstützung auf eine Sonderschule müssten, den Verbleib an der Regelschule ermöglichen.

Das Rudolf-Ekstein-Zentrum begreift dessen Vermächtnis auch als politischen Auftrag zur Hellhörigkeit im schulpolitischen Diskurs, vor allem wenn es um die Einschränkung der Ressourcen für Kinder mit besonderen Bedürfnissen geht.

Ein Wiener Grab

Am 18. März 2005 starb Rudolf Ekstein in Los Angeles. Die letzten Jahre hatte er altersdement in einem Pflegeheim verbraucht. Wenige Tage nach ihm starb seine Frau Ruth, die 63 Jahre lang an seiner Seite gelebt hatte.

Rudolf Ekstein wollte in Wien begraben sein. Kommenden Juli wird er aus den USA nach Östereich überführt werden. Das Wiener Rudolf Ekstein Zentrum hat ein Ehrengrab für den glühenden Wiener beantragt. Die Entscheidung der Stadt Wien ist noch ausständig.

Download-Tipp
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Buch-Tipp
Jörg Wiesse, "Rudolf Ekstein und die Psychoanalyse", Vandenhoeck & Ruprecht, ISBN 3525457545

Link
Institut für Psychagogik - Rudolf Ekstein