Teile der Geschichte und kulturellen Identität

Orchideenfächer - Exoten ohne Zukunft?

Im deutschen Sprachraum werden einige geisteswissenschaftliche Studien oft "Orchideenfächer" genannt, wohl weil sie für zu exotisch gehalten werden, um im "richtigen Leben" eine Bedeutung zu haben. Können sich diese Universitätsstudien behaupten?

Immer dann, wenn laut über Universitätsreformen nachgedacht wird, rücken sie ins Zentrum des Interesses: die "kleinen Fächer" an den Universitäten, mit wenigen Studierenden und wenigen Absolventen.

Im deutschen Sprachraum - und nur dort - werden diese überwiegend geistes-, sozial- und kulturwissenschaftlichen Disziplinen oft "Orchideenfächer" genannt, wohl weil sie für bunt und vielgestaltig, aber eben auch für zu exotisch gehalten werden, um in der so genannten "realen Welt" irgendeine Bedeutung zu haben.

Die Frage der Effizienz

Effizienz wird auch im Hochschulbereich immer wichtiger. Für deren Beurteilung werden Absolventenzahlen herangezogen, und da geraten viele dieser "kleinen Fächer" immer mehr in Bedrängnis. Nach einer - umstrittenen - Statistik des Bildungsministeriums hatten in Österreich 39 von 170 Studienrichtungen zwischen 1999 und 2004 im Jahresschnitt keinen bis maximal fünf Absolventen.

Was jedoch nirgendwo aufscheint, sind die Nebenfach-Studenten, ebenso wenig wie die große Anzahl jener, die bestimmte Lehrveranstaltungen kleiner Fächer in ihr Studium integrieren.

Kleine Fächer - große Zukunft?

Während etwa die Bereiche Süd- und Ostasien zu den Schwerpunkten im universitären Forschungsplan zählen, sucht man Afrika darin vergeblich. Ein Grund: Der Anteil Afrikas am Welthandel liegt unter zwei Prozent. Aber es ist zu erwarten, dass der Kontinent in absehbarer Zeit auch für Europa immer wichtiger wird. Ein Argument dafür sind - aus ökonomischer Sicht - seine reichen Erdölvorkommen.

Aber auch die Frage der Bevölkerungsverschiebungen wird sich irgendwann immer drängender stellen, und spätestens dann wird Afrika eine zentrale Rolle für die Globalgeschichte spielen. Wäre es dann nicht von Vorteil, Experten zu haben mit genauer Kenntnis afrikanischer Gesellschaften und Traditionen?

Was für die Afrikanistik gilt, ist ebenso auf Studien wie etwa Indologie und Orientalistik umzulegen: Ihr Bildungsauftrag in einer modernen, globalisierten Welt.

Was kostet Bildung?

Geisteswissenschaftliche Fächer haben gelernt, sparsam zu sein. Große Geldmittel brauchen sie ohnehin nicht, haben sie doch keine teuren Apparaturen und Forschungslabors zu finanzieren. Der Ruf nach Einschränkung oder gar Einstellung mancher vermeintlicher "Orchideenstudien" aus finanziellen Gründen ist daher nicht nachvollziehbar.

Eine Universität, die sich als Bildungs-, nicht als Ausbildungsstätte versteht, soll, ja muss es sich leisten, auch weiterhin Fächer anzubieten, die vielleicht keinen vordergründigen Nutzen haben, aber Teil unserer Geschichte und kulturellen Identität sind - wie etwa Klassische Philologie, eine der Basisdisziplinen des europäischen Selbstverständnisses. Ihr Stellenwert im Zeitalter der Betriebswirte und Naturwissenschafter wird aber immer mehr in Frage gestellt.

Der kulturelle Status eines Landes sei daran abzulesen wie es mit seinen Kulturgütern umgehe, hat der Schriftsteller Robert Musil gemeint. Wir sind gerade dabei, diesen Status aufs Spiel zu setzen.

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