Anfang und Zukunft

50 Jahre Fernsehen in Österreich

Am 1. August 1955 wurde die erste Fernsehsendung in Österreich ausgestrahlt. In den folgenden 50 Jahren entwickelte sich das Fernsehen zum gesellschaftlichen Leitmedium. Auf dem Weg in das digitale Zeitalter steht es nun vor neuen Herausforderungen.

Anfangs war es für viele eine nette Spielerei, ein bebildertes Radioprogramm und nur wenige glaubten an seine Zukunft. Heute wissen wir, dass das Fernsehen unser aller Leben verändert hat. Begonnen hat die österreichische Fernsehgeschichte in einem ausgeräumten Klassenzimmer in Wien-Meidling mit einer Gesprächsrunde. Die Chefredakteure der großen österreichischen Tageszeitungen diskutierten zum Thema: "Wird das Fernsehen der Presse schaden?".

Zäher Start
Etwa 1000 Fernsehgeräte dürften damals in Betrieb gewesen sein, der Preis war horrend, 8000 Schilling, drei Monatsgehälter eines Besserverdieners. Gesendet wurde im ersten Jahr nur wenige Stunden am Tag. Doch bereits 1957 hatte das Fernsehen nur mehr am Dienstag Sendepause. Unabhängige politische Berichterstattung war in diesen ersten Jahren so gut wie unmöglich.

Identitätsstiftung

Das Fernsehen war in seinen jungen Jahren sicher ein Medium der Avantgarde, soder Kommunikationswissenschafter Fritz Hausjell. Sein Beitrag zur Bildung einer österreichischen Identität lässt sich vor allem an der Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit festmachen.

Einen zentralen dokumentarischen Beitrag zu Geschichtsdarstellung lieferten die Sendereihen "Österreich I" und "Österreich II" vor Hugo Portisch und Sepp Riff. Aber auch die erstmalige Ausstrahlung der Serie "Holocaust" im Jahr 1979 oder die Fernsehfilmreihe "Alpensaga" setzten unübersehbare Impulse zur kollektiven Aufarbeitung.

Die televisuelle Geschichtsaufklärung wurde sehr oft auch von Fernsehdiskussionen begleitet, wie etwa dem legendären "Club 2". Dieses Format war provokant und zugleich sehr innovativ, meint Fritz Hausjell, zum einen aufgrund der bunt zusammengesetzten Gesprächsrunden, zum anderen wegen der Sendezeit, die ein Open-End hatte.

Teil des Alltags

Das Fernsehen ist vollkommen integriert in unsere Alltagsabläufe, so der Kommunikationswissenschafter Wolfgang Langenbucher. Das ist umso stärker der Fall, je mehr Menschen einen Überschuss an nicht strukturierter Zeit haben.

In Deutschland wurde bereits 1964 die erste große Untersuchung zur Fernsehnutzung durchgeführt, weiß der Medienwissenschafter. Bis zum Ende der 1970er Jahre verlaufen die Kurven zu Fernsehzeit und zu Freizeit steigend und parallel, dann bricht diese Entwicklung auseinander. Die Freizeit der Menschen nimmt zwar weiter zu, aber sie wird nicht mehr in gleichem Ausmaß dem Fernsehen geschenkt.

Der Schritt in die Digitalisierung

Das analoge Fernsehzeitalter hat ein Ablaufdatum bekommen. Ob via Satellit, Kabel oder Internet - die digitalen Übertragungstechnologien sind europaweit im Vormarsch. Auch die analogen terrestrischen Sendeanlagen werden umgerüstet. Ein Vorreiter im europäischen Raum ist die BBC in Großbritannien. Die britische Rundfunkanstalt bietet seit 1998 "Digital Video Broadcasting" an, also digitales Fernsehen, das man auch via Antenne empfangen kann. In Österreich soll das digitale Antennenfernsehen bereits nächstes Jahr im Herbst starten. Auf der ersten digitalen Frequenzkette werden ORF1, ORF 2 und ATV+ Platz finden.

Die Digitalisierung der Fernsehnetze ist ein gesamteuropäisches Ziel. So sollen die analogen Fernsehfrequenzen spätestens bis 2012 abgedreht werden, manche Länder wollen bereits früher ins digitale Fernsehzeitalter wechseln.

Und was haben die Konsumenten von der weiteren Fernbedienung? Zunächst einen qualitativ besseren Empfang, noch dazu portabel und mobil und eine Reihe neuer Zusatzdienste.

Karl Pachner von der ORF-Online-Direktion verweist auf das DVB-T-Pilotprojekt in Graz, das letztes Jahr in Graz über die Bühne ging und beim Publikum auf großes Interesse gestoßen ist. !TV4Graz - so hieß der Probekanal für den DVB-T Testbetrieb, der ORF und sechs privaten TV-Veranstaltern mit interaktiven Programmen gefüllt wurde. Über einen Rückkanal konnten die User über den Wunschfilm der Woche abstimmen oder über die "Frage des Tages" abstimmen.

Die Zuschauer müssen einen klaren Mehrwert erkennen, meint Ronald Schwärzler, Online-Direktor des ORF. Ein gutes Beispiel sei der aus der analogen Fernsehwelt bekannte Teletext, der bereits heute von 1,4 Millionen Menschen täglich genutzt wird - und die digitale Variante wird weitaus mehr Komfort bieten.

Buch-Tipps
"Belvedere. Das schöne Fernsehen", Iso Camartin, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 2005, ISBN: 351841688X

"Televisionen", Stefan Münker, Alexander Roesler, edition suhrkamp, 1999

"Die große Illusion - Erinnerungen an 50 Jahre mit dem Fernsehen", Thaddäus Podgorski, Bibliophile Edition 2005

"Achtung Sendung. 50 Jahre Fernsehen in Österreich", Kurt Tozzer, Martin Majnaric, Verlag Ueberreuter, 2005, ISBN: 3800070901

"Frauen sehen besser aus. Frauen und Fernsehen", Barbara Sichtermann/Andrea Kaiser, Verlag Antje Kunstmann, 2005

"Kalte Herzen", Peter Winterhoff-Spurk, Klett-Cotta, 2005, ISBN: 3608941029

"TV-Skandale, Claudia Gerhards, Stephan Borg, Bettina Lambert, Uvk, 2005, ISBN: 3896694707