Von Indien auf die Ile de France
Bénarès, Mauritius
Es waren einmal zwei hohe französische Kolonialbeamte, die sahen die französischen Besitzungen in Indien bedroht und machten sich auf, in einer anderen Kolonie ihr Glück zu suchen: Sie fanden es auf der Ile de France, die heute Mauritius heißt.
8. April 2017, 21:58
Für Joseph Conrad war sie die "süße Perle des indischen Ozeans", Jacques-Henri Bernadin de Saint-Pierre macht sie zum Schauplatz der bittersüßen Romanze von "Paul et Virginie", Charles Baudelaire verbrachte dort die "schönsten Tage seines Lebens", und den meisten von uns ist sie als eines der hochpreisigen Ferienziele bekannt: die Insel Mauritius, zirka 1.800 Kilometer östlich vom afrikanischen Festland im Indischen Ozean gelegen, 60 Kilometer lang, 55 Kilometer breit und viereinhalb Mal so groß wie die Bundeshauptstadt Wien.
Bewegte Geschichte
Mauritius hat eine kurze und bewegte Geschichte, die am 19. September 1598 mit einer Gruppe von Holländern begann: Sie ließ sich auf der noch unbewohnten Insel nieder und benannte sie nach ihrem ersten Statthalter Maurits von Oranien. Nachdem sie die Ebenholzwälder auf Null reduziert und die wohlschmeckenden, aber flugunfähigen Dodos ausgerottet hatten, überließen sie die Insel 1710 den Piraten.
Dann kamen die Franzosen, die Zuckerrohrbewirtschaftung und Sklaven verschiedener Herkunft einführten. 1810 folgten die Briten samt ihren indischen Kontraktarbeitern. Seit dem 12. März 1968 ist Mauritius ein unabhängiger Staat im britischen Commonwealth.
200-Seelen-Dorf Bénarès
Auf Mauritius gibt es ein Dorf namens Bénarès: im Süden der Insel, 15 Kilometer von Mahébourg entfernt, bewacht von einem hohen Turm, der als einziges Gebäude von der Zuckermühle übrig geblieben ist. 200 Einwohner hat der Ort.
"Einen Laden, eine Krankenstation, eine Post, eine Schule, aber nur für die Kleinen, und Häuser natürlich, und Felder und ganz am Rand das Meer. Kein Geschäft, kein Restaurant". Barlen Pyamootoo hält sich in seinem Roman "Benares" ziemlich genau an die Wirklichkeit; weshalb dieses Nest denselben Namen trägt wie die indische Stadt, das verschweigt er aber.
Reich mit Zuckerrohr
Benares auf Mauritius wurde im Jahr 1771 von zwei hohen französischen Kolonialbeamten gegründet, die die Zeichen der Zeit richtig gedeutet hatten. Jean Law de Lauriston, Gouverneur von Pondichery, und Jean Baptiste Chevalier, stellvertretender Gouverneur der Handelsniederlassung von Chandernagore in Bengalen, erwarben gemeinsam etwas mehr als elf Quadratkilometer Land zur Zuckerrohrproduktion, vergrößerten ihr Gebiet um mehr als das Doppelte und machten ihr Land, dem sie 1779 den Namen Benares gaben, innerhalb von wenigen Jahren zur größten Plantage der Insel.
Der Name war Programm: So reich und prächtig wie das alte indische Handelszentrum am Ganges sollte auch ihr kleines Reich werden, und sie waren auf dem besten Weg dazu. 1786 brachten sowohl Zuckermühle als auch Schnapsbrennerei gutes Geld, die Arbeit erledigten 154 Sklaven und 87 Inder mit Hilfe von 35 Ochsen, 30 Maultieren und zwölf zweirädrigen Karren.
Nur ein Turm blieb
Aber schon 1788 ging es wieder bergab, und Benares wechselte mehrmals den Besitzer, bis es schließlich 1859 ein Anwalt aus Réunion erwarb: Sir Virgile Naz. Er hatte eine glückliche Hand bei der Modernisierung des Betriebs und steigerte die Produktion beträchtlich. Er ließ inmitten eines großzügig gestalteten Parks einen sehr großzügigen Herrensitz errichten: "Chateau Bénarès", von dem nur mehr ein kleiner Pavillon überlebt hat, und die große katholische Kirche, die seine unverheiratete Tochter in der nächsten größeren Stadt Curepipe erbauen ließ.
1968 kam Bénarès zur Britannia Sugar Corporation, die Produktion wurde stillgelegt, die Arbeitersiedlungen wurden verlegt und die Anlage geschliffen. Nur der Turm blieb - wie auf Mauritius üblich - stehen.
service
Barlen Pyamootoo, "Benares", Verlag Antje Kunstmann
Dietmar Rothermund/Susanne Weigelin-Schwiedrzik (Hg.), "Der Indische Ozean. Das afro-asiatische Mittelmeer als Kultur- und Wirtschaftsraum", Promedia Verlag