Vor dem Ernstfall aktiv werden
Versicherungsfall Katastrophe
Im internationalen Katastrophenmanagement gibt es einen Paradigmenwechsel: von der reinen Nothilfe zum präventiven Katastrophenmanagement. Helfen vor der Katastrophe ist die Devise - die Alternativen sind einfallsreich.
8. April 2017, 21:58
In einem Entwicklungsland ist das Risiko 23 Mal so hoch bei einer Naturkatastrophe zu sterben als bei uns. Die Armut bestimmt das Ausmaß der Katastrophe: in wenig entwickelten Ländern gibt keine Prävention und es existieren keine Katastrophenschutzpläne. Zudem verursacht die Katastrophe noch zusätzliche Armut - viele Bauern müssen nach einer Katastrophe ihr ganzes Hab und Gut verkaufen. Wissenschafter des IIASA (Institut für Angewandte Systemanalyse in Laxenburg) haben diesen Teufelskreis im renommierten Wissenschaftsmagazin "Science" analysiert.
Internationale Organisationen wie die Weltbank setzen daher auf präventives Katastrophenmanagement - sie wollen Risiken transferieren. "Die Idee des Risiko-Transfers ist es, vor der Katastrophe aktiv zu werden und Vereinbarungen zu treffen, wie der Schaden verteilt wird", sagt Joanne Linnerooth-Bayer vom IIASA.
Das kann sehr konventionell über kommerzielle Versicherungen gemacht werden. Versicherungen bündeln die Risiken in einem Pool und verteilen sie auf viele Schultern. Sie selbst geben ihr Risiko den Rückversicherern weiter, die sehen müssen, dass sie weltweit genug Einnahmen lukrieren, um für alle Katastrophen gewappnet zu sein.
Cat-Bonds
Eine andere Risikotransfermöglichkeit sind Katastrophen-Anleihen, sagt Reinhard Mechler vom IIASA. "Ein Investor kauft solch eine Anleihe und wird mit einer besonderen Rendite belohnt. Es kann allerdings im Falle einer Katastrophe sein, dass das investierte Kapital zur Gänze oder zum Teil nicht rückerstattet wird. Diese Möglichkeit hat sich in den letzten Jahren an den Kapitalmärkten entwickelt, jedoch noch nicht vollständig durchgesetzt."
Ein Wettspiel mit der Katastrophe also. Wenn das große Erdbeben in Tokio oder der Sturm in Europa in den nächsten drei Jahren eintritt, dann ist das Geld weg. Auch eine Risiko-Maßnahme, die vor der Katastrophe getroffen wurde.
Wetter-Derivate
Nothilfe kann nicht ersetzt, aber intelligenter gestaltet werden. Mit Wetter-Derivaten zum Beispiel, meint Mechler. "Die Idee ist, keine Versicherung im traditionellen Sinne anzubieten, sondern so genannte Wetterderivate zu offerieren, die an eine physische Messgröße gebunden sind, zum Beispiel Regenfall. Die Idee ist: wenn der Regen ausbleibt, erhält man Entschädigungszahlungen durch einen Versicherer oder Pool."
Das vereinfacht das System: die Schadenserhebung fällt weg. Außerdem gibt es einen starken Anreiz für die Bauern, Risiken zu vermeiden. Doch wie kann man eine Dürre vermeiden? Indem man zum Beispiel andere Produkte anbaut, meint der Forscher. Der Bauer erhält die vereinbarte Summe, egal ob sein Schaden hoch oder niedrig ist. Wetter-Derivate gibt es bereits in Kanada und den USA.
Das Welternährungsprogramm will die Prämien soweit subventionieren, dass die Bauern in der Dritten Welt den Kauf nicht mehr als große Last empfinden. "In Äthiopien wäre das wirklich ein sehr niedriger Preis. Das ist die einfache Idee. Die Internationale Gemeinschaft würde diese Instrumente erschwinglich machen", sagt Joanne Linnerooth-Bayer vom IIASA. "Aber warum sollten wir das tun? Warum sollte die internationale Gemeinschaft schon vor der Katastrophe etwas tun und nicht erst danach? Ein Grund ist ganz simpel: die Würde der Leute." Sie müssen nicht nach der Katastrophe auch noch um Hilfe bitten. Zweitens ist es sicherer, denn schon sehr oft ist nach einer Katastrophe einfach keine Hilfe gekommen. Damit haben sie Sicherheiten - sie schlafen sicher besser, wenn sie wissen, falls es im Sommer nicht regnet, werden sie nicht verhungern
Mehr dazu in oe1.ORF.at und in science.ORF.at
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Wikipedia - Naturkatastrophe