Tabubruch oder Hoffnungsschimmer?

Stammzelltherapie

Stammzellen sind Mutter- oder Vorläuferzellen, aus denen sich alle Zell- und Gewebearten des Organismus ableiten. Theoretisch können sie in vielen Bereichen der Medizin eingesetzt werden, erste Therapiestudien zeigen Möglichkeiten und Grenzen auf.

Am 6. November 1998, gelang es dem amerikanischen Wissenschaftler James Thomson erstmals, menschliche Stammzellen zur isolieren und daraus Zelllinien zu züchten. Im Mai 2005 haben südkoreanische Forscher nun maßgeschneiderte embryonale Stammzellen für schwerkranke Patienten geklont.

Es wurde bislang noch kein Verfahren entwickelt, das es erlaubt, embryonale Stammzellen zu gewinnen und gleichzeitig die Integrität und Entwicklungsfähigkeit des dazu benötigten Embryos oder Klons zu erhalten.

Unterschiedliche staatliche Regeln

Tabubruch und unethisches Handeln, sinnlose wissenschaftliche Spielerei oder Hoffnungsschimmer für unheilbar Kranke? Die Diskussionen zum Thema embryonale Stammzellforschung sind sehr stark von gesellschaftlichen, kulturellen und religiösen Aspekten geprägt. Daher sind auch die staatlichen Regelungen für die Stammzellentherapie selbst innerhalb der EU recht unterschiedlich. In Österreich ist die verbrauchende Embryonenforschung verboten - an importierten Stammzelllinien darf hingegen geforscht werden.

Hype um Stammzellen

Stammzellen sind Mutter- oder Vorläuferzellen, aus denen sich alle Zell- und Gewebearten des Organismus ableiten. Die Visionen erscheinen geradezu atemberaubend. Stammzellen könnten zumindest theoretisch in vielen Bereichen der Medizin angewendet werden. Von dem Einsatz bei Herzinfarkten, über die Therapie von Erkrankungen des Gehirns und des Nervensystems bis zur Züchtung von Insulin produzierenden Zellen spannt sich der Bogen.

Möglichkeiten und Grenzen

Adulte Stammzellen finden sich in mehreren Organen und im Knochenmark von Erwachsenen. Zum Einsatz dieser adulten Stammzellen gibt es keine ethischen Bedenken.

Ihr unbestreitbarer Vorteil liegt darin, dass sie dem Patienten ohne große Schwierigkeiten entnommen werden können. Außerdem: Gewebe, das aus den Stammzellen eines Patienten entwickelt wurde, wird von dessen Körper nicht abgestoßen. Auch scheint die Neigung zur malignen Entartung bei Implantation adulter Stammzellen geringer zu sein als bei embryonalen Stammzellen.

Allerdings haben adulte Stammzellen ein geringeres Selbsterneuerungsvermögen. Forscher können sie im Vergleich zu embryonalen Stammzellen nur begrenzt im Labor kultivieren und vermehren. Außerdem können sie sich im Vergleich zu embryonalen Stammzellen nur begrenzt in andere Gewebe entwickeln.

Dürftige Beweislage

Erste Therapiestudien bei Herzinfarkten, bei Gehirn-Erkrankungen etc. sind bereits durchgeführt worden und die Euphorie scheint etwas abzuflachen. Viele klinische Anwendungen sind weitaus komplizierter als angenommen. Jeder neue Erkenntnisschritt scheint mehr Fragen aufzuwerfen, als zu beantworten.

Neue Hoffnungsträger

Eine Wiener Forschungsgruppe um den Genetiker Markus Hengstschläger (AKH) publizierte diesbezüglich zwei international Aufsehen erregende Studien.

Vor etwa zwei Jahren gelang es, im Fruchtwasser von Schwangeren Zellen mit dem Oct-4 Gen festzustellen. Diese stammzellähnlichen Zellen sind pluripotent und besitzen die Fähigkeit sich in unterschiedliche Zelltypen zu differenzieren. Diese Zellen konnten in Muskel- und Nervengewebe weiter entwickelt werden. Im August 2005 wurde ein Weg gefunden, diese neu entdeckten Zellen auch zu isolieren.

Pläne für klinische Anwendung

Würde man z. B. bereits während der Schwangerschaft eine Spaltbildung beim Fötus, z. B. einen offenen Rücken, feststellen, könnte man schon im vorgeburtlichen Stadium Stammzellen isolieren und daraus die notwendigen Hautzellen züchten. Diese könnten dann gleich nach der Geburt des Babys implantiert werden. Der Vorteil: Aus eigenen Stammzellen produzierte Implantate werden nicht abgestoßen.

Diskutieren Sie mit!

Wenn Sie Fragen zum Thema haben, dann rufen Sie während der Sendung unter der kostenfreie Telefonnummer 0800 22 6979 an, oder posten Sie hier.

  • Gibt es in Ihrer Familie Erkrankungen, die theoretisch mit Stammzellen behandelbar wären? Ist die ethisch umstrittene Forschung an embryonalen Stammzellen überhaupt nötig - sollte nicht intensiver an adulten Stammzellen gearbeitet werden?
  • Wird die Stammzelltherapie jemals die in sie gesetzten, hochgespannten Hoffnungen erfüllen?
  • Sind klinische Anwendungen zum jetzigen Zeitpunkt zu rechtfertigen?
  • Und wo liegen mögliche Risiken der Stammzellanwendung - Stichwort Krebsentstehung?
Offen gebliebene Fragen werden nach der Sendung von Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger, Leiter der Abt. für Medizinische Genetik am AKH Wien, von Univ.-Doz. Dr. Gerhard Fritsch, Forschungsinstitut für Krebskranke Kinder, und von Univ.-Prof. Dr. Helmut Dietmar Glogar, Kardiologe von der Uniklinik für Innere Medizin II am AKH Wien bis 15:20 Uhr in unserem Forum beantwortet.

Mehr zum Thema Stammzelltherapie in der Online-Infomappe

Download-Tipp
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Hör-Tipp
Über Stammzellspenden bei Blutkrebs berichtet "Dimensionen" am Montag, 26. September 2005, 19:05 Uhr.

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