Grieg: Schauspielmusik zu Ibsens "Peer Gynt"
"Peer Gynt" von Edvard Grieg
Edvard Grieg meinte über seine "Peer Gynt"-Musik, sie klinge nach "Kuhfladen". Heute gehört die "Morgenstimmung" aus der Theatermusik zu Ibsens Drama zu den bekanntesten Melodien der Musikgeschichte. Ein Interpretationsvergleich.
8. April 2017, 21:58
"Morgenstimmung" mit Kurt Mazur und Paavo Järvi
Edvard Grieg war 31 Jahre alt, als er von Henrik Ibsen gefragt wurde, ob er nicht für Peer Gynt eine Theatermusik schreiben wolle - so wie Mendelssohn für eine Aufführung von Shakespeares Sommernachtstraum. Ibsens Werk war ursprünglich ein "dramatisches Gedicht", ein Versdrama, das 1875 als Bühnenstück umgearbeitet werden sollte.
Grieg zierte sich ziemlich und schimpfte eigentlich mehr auf das ganze Projekt, als dass er begeistert war: "Es ist ein entsetzlich unflexibler Stoff, einzelne Stellen ausgenommen, zum Beispiel da, wo Solveig singt; das habe ich auch schon alles gemacht. Auch zu 'In der Halle des Bergkönigs' habe ich etwas gemacht. Ich kann es buchstäblich nicht mehr ertragen, das zu hören, weil es derart nach Kuhfladen, Über-Norwegianismus und Selbstzufriedenheit klingt", so Grieg in einem Brief an einen Freund am 27. August 1875.
Kurt Mazur mit schweren Schritten
Die Interpretationsunterschiede der verschiedenen Aufnahmen sind nicht allzu groß. Dennoch: Bei der Morgenstimmung zu Beginn des vierten Aktes, die nicht in Norwegen, sondern in Afrika spielt und wohl das berühmteste Stück aus Griegs Schauspielmusik geworden ist, lassen sich einige Unterschiede erkennen.
In schweren langsamen gewichtigen Schritten lässt Kurt Mazur die berühmteste aller Peer-Gynt-Melodien erklingen. Die Flöten- und dann Oboenmelodie zu Beginn der berühmten "Morgenstimmung" kann in langsamem Tempo ihre Spannung leicht verlieren, dann wird das ein buchstabiertes Nebeneinander von Tönen und keine fließende spannungsgeladene Melodie.
Spannungsbögen bei Paavo Järvi
Aber auch in langsamem Tempo kann das anders klingen. Etwa in der Aufnahme mit dem Estnischen Nationalen Symphonieorchester unter Paavo Järvi. In ähnlichem Tempo klingen diese Melodien in sehr schönem Spannungsbogen. Es wird sehr agogisch musiziert, mit Zieltönen und Durchgangstönen - wie ein Tuch oder Band, das an einem festen Balken an verschiedenen Punkten angeheftet ist und dazwischen nach unten hängt.
Zu diesen Höhepunkten kehrt die Melodie immer wieder zurück, um dazwischen eine Schleife nach unten zu machen. Diese "Bewegung" wird in der Aufnahme des Estnischen Nationalen Symphonieorchesters unter Paavo Järvi sehr schön nachgezeichnet. Paavo übertrifft hier in einigen Bereichen seinen Vater Neeme Järvi.
CD-Tipps
Edvard Grieg, "Peer Gynt", Estnisches Nationales Symphonieorchester, Paavo Järvi, Virgin Classics, B0007Z47JI
Ö1 Klassiker Vol. 26, "Grieg + Sibelius", Göteborger Symphoniker, Neeme Järvi, erhältlich im ORF Shop
Edvard Grieg, "Peer Gynt", Konzertfassung, Gewandhausorchester Leipzig, Kurt Mazur, Philips (Universal), B00000E3UT
Links
Wikipedia - Edvard Grieg
Wikipedia - Henrik Ibsen
Estonian National Symphony Orchestra
Göteborgs Konserthus
Gewandhausorchester Leipzig
Neeme Järvi
Paavo Järvi
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