Eine Nicht- Interpretation

Strawinskys Auseinandersetzungen

"Er" wollte dezidiert nicht interpretiert werden: Igor Strawinsky. "Je ne veux pas être interpreté" hat er einst wütend den Dirigenten Hans Swarowsky in einer Probe angebrüllt. Daher dirigierte Strawinsky lieber selbst: Zwei Aufnahmen liegen vor.

"L’histoire du soldat" mit Igor Strawinsky, 1954 und 1961

Päpstlicher sein als der Papst? An Strawinsky beckmessern? Kommt nicht in Frage: So wie sie sind - einmal in der Aufnahme von 1954, das zweite Mal in einer Aufnahme von 1961 - haben beide Aufnahmen ihren Schöpfer-Sanktus erhalten, denn kein anderer als the composer himself stand am Dirigentenpult: Igor Strawinsky.

Aus der Not eine Tugend machen

Ein hübscher Fleck. Da wäre gut Bleiben. Der Soldat hat sich am Bachufer niedergesetzt, hat aus dem Tornister ganz unten aus einem Sackerl eine kleine Geige mit zerkratztem Lack gezogen. Kein gutes Instrument, verstimmt sich ständig. Und dann spielt er.

Ob poco sforzato, subito piano, ob Akzent, Lautstärke, Artikulation, Phrasierung, Ausdruck, alles ist feinsäuberlich und akkurat in der Partitur registriert, muss von den Nach-Schöpfern einfach berücksichtigt werden. Nichts anderes, nicht mehr und nicht weniger hat Strawinsky gewollt. Was für eine Geschichte wird da überhaupt erzählt?

Sie geht auf zwei Märchenerzählungen Alexander Afanassiews zurück: die eine, in welcher der Soldat dem Teufel ein Schnippchen schlägt, indem er ihn mit Wodka betrunken macht und ihm dann statt Kaviar Flintenschrot zum Essen vorsetzt; und die andere von dem Deserteur, dem der betrügerische Teufel seine Violine raubt.

Angeregt wurde Strawinsky vom waadtländischen Schriftsteller Charles Ferdinand Ramuz.

Warum nicht gemeinsam ein Stück schreiben, das keinen großen Saal, kein großes Publikum braucht; ein Stück, dessen Musik nur wenige Instrumente erfordern würde und das nur zwei oder drei Personen hätte? Wir würden die alte Tradition der Gauklerbühnen, der Wandertheater, der Jahrmarktstheater wieder aufnehmen.

Zum Tee in Clarens

Der Dritte im Bund war der Dirigent Ernest Ansermet - arbeitslos wie die beiden anderen auch. Man schreibt das Jahr 1917. Schwere Zeiten. Strawinsky ist im Exil, kein Mensch interessiert sich für die Literaturzeitschrift von Ramuz, Ansermet hat kein Orchester.

Mehr dazu in oe1.ORF.at

CD-Tipps
Igor Stravinsky, "L’histoire du soldat", Igor Stravinsky 1954; Sony MH2K 633325

Igor Stravinsky, "L’histoire du soldat", Igor Stravinsky 1961, Sony 01-046290-10-1

Link
Russisches Musikarchiv - Igor Strawinsky

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