Eine Massendemonstration vor dem Wiener Parlament aufgenommen am 12. November 1918

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Radiokolleg

Wie Österreich neu formiert wurde

Wie Menschen sich an ihre Vergangenheit erinnern, ihre Erinnerungen weitergeben und damit eine gemeinsame Identität formen, ist ein dynamischer Prozess. Genauso wie das "Nationbuilding", das in einem zweiwöchigen Radiokolleg Spezial beleuchtet wird.

"Wie Österreich neu formiert wurde" spannt in sechs Folgen den Bogen von den Gründungsmythen rund um die Zweite Republik, dem Internationalisierungsschub durch die Präsenz der vier Alliierten, der Wiederaufbauzeit als "heroische Phase" bis zum österreichischen Weg mit Marshall-Plan, Sozialpartnerschaft sowie dem Aufbau einer Konsensdemokratie.

Ein netter, harmloser Kleinstaat im Herzen Europas - dialogorientiert, neutral und mit allen gut Freund: In dieser Rolle sah sich Österreich nach der Unterzeichnung des Staatsvertrags 1955 am liebsten. Zentral in der nationalen Selbstvergewisserung Österreichs nach 1945 war vor allem die Abgrenzung von den "Piefkes". Die Verantwortung für den Nationalsozialismus überließ man gern den nördlichen Nachbarn.

Brüche der Identität

In den 1980er-Jahren gerät mit der Affäre Waldheim das Bild Österreichs als Opfer des Nationalsozialismus ins Wanken. Die Vergangenheitsbewältigung, die Frage nach der Bedeutung der Neutralität nach dem Zusammenbruch des Ostblocks 1989 und der Beitritt zur EU 1995: Wie mit diesen Identitäts-Brüchen umgegangen wird, das beschäftigt Österreich bis heute.

Wer wollen wir heute sein?

So unterschiedlich die Gegebenheiten zwischen dem Bodensee im Westen und dem Neusiedlersee im Osten sein mögen, einige Entwicklungen prägen ganz Österreich: Der Wandel zur Migrationsgesellschaft, auch innerösterreichisch, die Überalterung, das Stadt-Land-Gefälle. Damit gehen gesellschaftspolitische Fragen einher, allen voran jene, wer wir heute sind und sein wollen.

Ein fortlaufender Prozess

In einer aktuellen Studie über die Geschichtsbilder zur Zweiten Republik stimmen circa acht von zehn Befragten "sehr" zu, dass es gut ist, "dass Österreich 1945 eine demokratische Republik wurde". Circa neun von zehn sehen Österreich als "Land mit hoher Lebensqualität". Zweifel daran, ob Österreich als eigenständiger, kleiner Staat funktionieren wird können, sind längst vergangen. So gesehen, ist das österreichische Nationbuilding ein Erfolg, bleibt aber auch ein fortlaufender Prozess.

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