Wehklagen eines Kino-Freundes

Naiver Weltverbesserer

Wegen etwa "Stealth" brächte mich nur ein Umstand ins Kino: mit dem Joy-Stick Film-Kopien zerstören. Aber was soll man sich schon ansehen - im Kino auf dem Lande? "Ein toller Käfer startet durch" oder "Frau mit Hund sucht Mann mit Herz"?

Kürzlich gehe ich spätabends noch ins Wiener Stadtkino auf dem Schwarzenbergplatz, um mir die argentinische Off-Produktion "La Nina Santa" anzuschauen, die durchaus das Prädikat "Besonders Wertvoll" verliehen bekommen sollte, aber egal. Sollten Sie Gelegenheit haben, den Streifen irgendwo zu sehen, nichts wie rein ins Kino.

Zum Glück bekam ich für Jim Jarmuschs "Broken Flowers" (viele meiner Bekannten machte der Film recht unglücklich) keine Karten mehr, sonst hätte ich die äußerst seltsame, aber hervorragende Sozial-Studie argentinischen Lebens in der Provinz, durchdrungen von Katholizismus, wahrscheinlich nie gesehen. Man soll halt nie die in der Kino-Presse unscheinbaren und vernachlässigten Filme minder schätzen.

Wenn man allerdings irgendwo in Österreich auf dem Lande oder in einer der Bundesländer-Hauptstädte lebt (ich halte mich da recht viel auf), bekommt man solche Gelegenheiten nicht oft. Da bedeutet der Wunsch ins Kino zu gehen, um einen halbwegs interessanten Streifen zu sehen meist, unglaubliche Kompromisse machen zu müssen. Oder schlicht zu lernen, mit großen Enttäuschungen umgehen zu können.

Seh' ich mir jetzt das Boulevard-Lieblingspaar "Mr. und Mrs. Smith" (Heiratet endlich und versteckt euch vor Stalkern, ihr zwei Armen) an, oder einen John Travolta als heruntergekommenen Literatur-Professor in "Love Song für Bobby Long" (ich kann ihn nicht mehr ab, den gehypten John) oder "Frau mit Hund sucht Mann mit Herz" (Scheißende Hunde und deren interessante BesitzerInnen hab' ich in der Stadt Wien genug, das Leben ein Film!) oder irgendwelche Kriegsfilme aus Hollywood, die wahrscheinlich einzig und allein dafür gemacht wurden, dass die Welt innerhalb, aber auch außerhalb Amerikas nicht vergisst, dass Krieg und Kriegsspielzeug eigentlich was irre Cooles und Freizeit-Vertreibendes sind.

Revolution der Kinobetreiber
Liebe Kino-Betreiber: Ich plädiere hiermit dafür: Verbrennt eure Kopien von "Stealth - unter dem Radar" und sonstigen Schrott. Öffentlich! Lasst sie euch kommen und zeigt das Verbrennen auf der Kino-Leinwand. Steht auf und lasset die kriegstreibenden US-Amerikaner und ihre unterschwellig, aber super-tumbe Art zu agitieren nicht an euch und also an eurer Besucher Augen ran. Zeigt anstatt dessen in Wochenschau-Manier die unzähligen Nachrichten-Bilder (siehe als Beispiel No-Comment Euro-News) von den brennenden Kriegsschauplätzen dieser Erde und was also die Bushianer verbrechen.

Wenn euch diese Idee nicht gefällt, zeigt meinetwegen Hobby-Urlaubs-Filme oder Dia-Shows vom Grand Canyon. Aber lasst euch das nimmer gefallen, selbst wenn's Geld bringt. Fangt nicht heute damit an, sondern gestern. Und für engagierte Soziologen hätte ich auch eine Idee: Macht doch ein paar Studien über Provinz-CinePlexxe, deren Umfeld, deren Besucher, über die Auswirkungen dieses Trauerspiels. Und schickt sie nach Hollywood eure Studien. Und die Stadt-Cine-Plexxe nehmt ihr gleich dazu in eure Studien. Mir fällt als Schlagwort dazu ein österreichischer Film ein: "Darwin's Nightmare".

Falsches Wehklagen über die Welt
Und wenn mir jetzt eine/r damit kommt, dass es ja auch so und so viele amerikanische Regisseure gibt, die ja eh klasse Sachen machen, dann sage ich drauf: Ausnahmen bestätigen die Regel. Und Clint Eastwood brauchte, um vom Saulus zum Paulus zu werden, auch ewig lange: Der Weg vom Rächer "Dirty Harry" (den man ja durchwegs cool fand) hin zu "Mystic River" und "Million Dollar Baby" (zwei durchaus engagierte Filme) war ein durch und durch amerikanischer - das sei auch mal gesagt. Die Listen so genannter engagierter amerikanischer Regisseure, die uns die PR-Maschinengewehr-Salven der Major-Produktionsfirmen gekonnt um die Ohren knallen, tauchen ja immer wieder auf. Ich kann und will sie nicht mehr sehen und hören, wie sie bedeutungsschwanger bei Interviews sitzen, die großen Filmmenschen, und wehklagen über den Zustand der Welt, den sie mit ihren Filmen teils mitprägten.

Es war im Übrigen auch unglaublich, mit welcher Naivität und ur-amerikanischen, Kaugummi kauenden Art der gute Oliver Stone dem Maximo Leader in Havanna begegnete. Aber das ist eine andere Geschichte.