Die selbstzerstörerische Kraft der Unternehmen

Das Ende der Konzerne

Trotz einer provokanten Kernthese ist Joel Bakans Buch keine radikale Abrechnung oder Kampfschrift gegen den Kapitalismus. Er lässt immer wieder auch Befürworter einer ungezügelten Marktwirtschaft ausführlich zu Wort kommen.

Wie Joel Bakan in seinem Buch aufzeigt, entstand die Kapitalgesellschaft modernen Zuschnitts Mitte des 19. Jahrhunderts im Zuge des Eisenbahnbaus in England und den USA. Zuvor war die Personengesellschaft die vorherrschende Unternehmensform - die Firmeneigentümer waren dabei zugleich auch die Firmenleiter. Aus diesem Grund galten Kapitalgesellschaften bei ihrem Aufkommen im 17. und 18. Jahrhundert als anrüchig und anfällig für Skandale.

Konzerne sind auch nur Menschen

Im Lauf der Zeit wurden Gesetze geschaffen, die die "professionellen Führungskräfte" - heute nennt man sie Manager - dazu verpflichteten, immer im "besten Interesse des Unternehmen" zu handeln. In dieser gesetzlichen Verpflichtung sieht Joel Bakan auch die Wurzel allen Übels, denn die Manager und Unternehmensleiter müssen dieser Pflicht zum größtmöglichen Profit alles andere unterordnen. Und so wird oft buchstäblich alles versucht, um die Produktionskosten immer mehr zu senken (Stichwort: Sweatshops) oder zu externalisieren (sprich: auf die Allgemeinheit abzuwälzen) und somit die Gewinne immer weiter zu erhöhen.

Ein weiteres Grundübel sieht Joel Bakan, im Hauptberuf Jus-Professor an der Universität von British Columbia in Kanada, in der juristischen Gleichstellung von Kapitalgesellschaften mit Personengesellschaften, die Ende des 19. Jahrhunderts durch den Obersten Gerichtshof in den USA erfolgte. Heutige Konzerne sind daher vor dem Gesetz keine abstrakten Dinge, Gebilde oder Institutionen, sondern Menschen gleich gestellte "Rechtspersonen" mit dem Anspruch auf denselben Schutz von Eigentumsrechten wie ein einzelner Mensch.

Verhaltensweisen von Psychopathen

Die Stellung der Großkonzerne als "Rechtsperson" verwendet Joel Bakan auch als Ausgangspunkt für die eigentliche Pointe und Kernthese seines Buches: Wenn ein Unternehmen tatsächlich eine Person ist, welches Charakterprofil besitzt sie dann? Bakan befragte dazu Dr. Robert Hare, einen Psychologen und international anerkannten Experten für Psychopathologie, der beunruhigende Parallelen zwischen der Verhaltensweise von Großunternehmen und der von Psychopathen entdeckte:

Anders als die Menschen, die es bevölkern, sind Konzerne ausschließlich an sich selbst interessiert. Konzerne handeln unverantwortlich, weil bei der Verfolgung ihrer Ziele jeder gefährdet ist, der ihnen in die Quere kommt. Sie versuchen, alles und jeden zu manipulieren, einschließlich der öffentlichen Meinung, und haben einen Hang zum Größenwahn, wenn sie ständig behaupten, die Nummer eins, die Besten zu sein. Der Mangel an Mitgefühl und asoziale Neigungen sind ebenfalls typisch. Ihr Verhalten deutet darauf hin, dass sie kaum einen Gedanken an ihre Opfer übernehmen; sie weigern sich oft, die Verantwortung für ihr Verhalten zu übernehmen und sind unfähig, Schuldgefühle zu empfinden.

Intensives Lobbying

Geht's den Unternehmen gut, geht's nicht automatisch auch den Menschen gut. Oft ist sogar das Gegenteil der Fall, etwa was die Bereiche Umwelt, Arbeit- und Verbraucherschutz anbelangt. Weshalb für Joel Bakan der Staat auch im Zeitalter der Globalisierung und weitestgehender Privatisierung das einzig effektive Regulativ bleibt:

Die Frage ist nicht, ob der Staat die Konzerne reguliert - das tut er immer - sondern wie und in wessen Interesse.

Den Grund, warum der Staat in den letzten Jahren zunehmend die Interessen der Unternehmen vor die der Allgemeinheit stellt, sieht Bakan vor allem im intensiven Lobbying, das die Großkonzerne betreiben. Speziell in den USA haben diese Konzerne durch die Möglichkeit von Wahlkampfspenden für Parteien und Kandidaten auch unmittelbaren Einfluss auf die Politik gewonnen.

Imperien dauern nicht ewig

Gegen Ende seines Buches gibt Joel Bakan eine Reihe von konkreten Empfehlungen, wie die Macht der Konzerne zurückgedrängt und Öffentlichkeit und Staat wieder gestärkt werden könnten. Auch den internationalen Neoliberalismus und Institutionen wie Welthandelsorganisation und Weltbank stellt er dabei in Frage.

Die Allmacht der Konzerne, so Joel Bakan, gleiche der von mächtigen Imperien wie der Kirche, der Monarchie und kommunistischen Parteien in der Vergangenheit und wird wie diese nicht von Dauer sein. Seine optimistische Conclusio lautet daher:

Die Herrschaft der Konzerne muss herausgefordert werden, um die Werte und Praktiken wiederzubeleben, denen sie sich widersetzt: Demokratie, soziale Gerechtigkeit, Gleichheit und Solidarität.

Buch-Tipp
Joel Bakan, "Das Ende der Konzerne. Die selbstzerstörerische Kraft der Unternehmen", Europa Verlag, ISBN 3203755432

Kino-Tipp
Die Dokumentation "The Corporation", die auf Joel Bakans Buch basiert, ist derzeit in den österreichischen Kinos zu sehen.

Link
The Corporation