Rechtsanwältin Helene Klaar im Sommergespräch
Über Trennung und Scheidung
46 Prozent der Ehen werden in Österreich geschieden. Seit fast 30 Jahren versucht die Wiener Rechtsanwältin Helene Klaar, den Frauen dabei zu ihrem Recht zu verhelfen. Einer ihrer Leitsätze ist allerdings: "Besser eine Ehe ohne Liebe als eine Scheidung ohne Geld".
8. April 2017, 21:58
Spielt die zunehmende Unabhängigkeit der Frau eine Rolle?
Vor allem als engagierte Verfechterin von Fraueninteressen hat sich die Wiener Scheidungsanwältin Helene Klaar einen Namen gemacht. Im vorigen Jahr wurde sie wegen ihrer besonderen Verdienste um Frauen im Scheidungsfall mit dem Wiener Frauenpreis ausgezeichnet.
Was Scheidung für Frauen, Männer und Kinder für Folgen hat und wie die Gesellschaft damit umgeht, dies waren u. a. die Themen des heurigen letzten Sommergesprächs, das Ernest Hauer mit Helene Klaar führte.
Ernest Hauer im Gespräch mit Helene Klaar
Ernest Hauer: Von einer Scheidungsanwältin würde man annehmen, dass Sie eher zu einer Scheidung rät. Von Ihnen finde ich Zitate wie: "Besser eine Ehe ohne Liebe als eine Scheidung ohne Geld?
Helene Klaar: Das versuche ich ja auch bei meinen Vorträgen zu vermitteln: Von Liebe als Voraussetzung für eine Ehe ist im Gesetzbuch nirgends die Rede, daher ist der Wegfall von Liebe noch lange kein Scheidungsgrund.
Aber es muss Scheidungsgründe genug geben, wenn etwa 46 Prozent aller Ehen geschieden werden?
Das ist ein statistischer Trick, den ich als schlechte Mathematikerin nicht durchschauen kann. Es ist keineswegs so, dass wirklich jede zweite Ehe geschieden wird. Gott sei Dank, denn sonst würden ja den Rechtsanwälten die Klienten ausgehen. Wie viele es wirklich sind, kann ich nicht beurteilen. Aber natürlich lassen sich derzeit die Menschen noch scheiden, wenn sie der Meinung sind, dass die Ehe nicht mehr die ihnen gemäße Lebensform ist. Dennoch sollte man vorher überlegen, ob es nach einer Scheidung wirklich besser wird, denn wenn das nicht der Fall ist, lohnt es den Aufwand nicht.
Scheidung kann also eine Gefahr sein?
Eine Scheidung führt zwangsläufig zu einer Verschlechterung der materiellen Lebensverhältnisse, weil sich dadurch das Familieneinkommen nicht vergrößert; es bleibt allenfalls gleich; und von diesem gleichen Einkommen müssen in Hinkunft zwei Haushalte betrieben werden; und da bleibt für jeden ein bisschen weniger als vorher, wobei derjenige, der die Scheidung anstrebt, diesen Preis der Freiheit lieber zahlt als der andere. Aber man muss vorher abchecken, ob das Materielle Opfer abverlangt, die man gerne bringt, um den anderen los zu sein, oder ob der Nachteil so groß ist, dass man sich die Scheidung nicht leisten kann.
Man sagt oft sprichwörtlich: "Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende". Kann Scheidung auch eine Chance sein?
Ja, wenn die Verhältnisse ganz unerträglich sind, wird die Trennung von einem rabiaten, gewalttätigen Partner eine Befreiung für die ganze Familie sein. Wenn Gewalt im Spiel ist und man bedroht wird, sollte man sofort die Polizei verständigen - ohne Rücksicht auf die Gewalttäter. Im Zweifel ist es da immer noch besser, für kurze Zeit die Wohnung zu verlassen, als sich erschlagen zu lassen. Ein Neuanfang hat natürlich immer eine Chance in sich. Nur wird diese Chance für die Frau immer schlechter, je älter sie ist und je weniger sie im Beruf Fuß gefasst hat. Das führt dann leider zu dem traurigen Ergebnis, dass es Frauen gibt, denen man von einer Scheidung abraten muss.
Was raten Sie einer jungen Frau? Nach einer Scheidung eine Zeit lang bei den Kindern zu bleiben oder schnell wieder in den Beruf zurückzukehren?
Für Frauen gibt's keine Patentrezepte; irgendetwas bleibt immer auf der Strecke. Wenn nun eine Frau einen anstrengenden Beruf hat, wäre es - so denke ich - dennoch ihre erste Verantwortung, dafür zu sorgen, dass es den Kindern gut geht. Wie man dann einen etwaigen Pensionsnachteil auffängt und abfedert, darüber sollte die Frau früher nachdenken. Sie sollte nicht erwarten, dass die Ehe ihr Schutz sein wird. Ich wäre sehr dafür, dass für Frauen, die nicht erwerbstätig sind, der Unterhaltspfilichtige die Pensionsbeiträge weiter bezahlt. Per Gesetz werden ja Mann und Frau auch zu gleichen Teilen zur Hausarbeit verpflichtet, und derjenige, der nicht erwerbstätig ist, leistet den größeren Teil der Hausarbeit; de facto macht das überwiegend ja noch immer die Frau. Der Alleinverdienende ist jedenfalls von der Hausarbeit entlastet, und dafür zahlt er Unterhalt und Sozialversicherungsbeiträge.
Manchmal wird behauptet, die Männer werden bei Scheidungen benachteilgt?
Es ist doch so. Man solidarisiert sich meist mit den Siegern und nicht mit den Verlierern; daher hat auch in Scheidungssituationen immer der Mann, der mit der neuen feschen Frau zusammenleben möchte, mehr Sympathie als die freudlose, alte Schachtel, die er sitzen lässt; und alles, was er in diese Richtung zahlen muss, wird von einer mitfühlenden Öffentlichkeit als Zumutung empfunden. In Wirklichkeit erkennt man aber, dass beim Materiellen demjenigen , der Unterhalt zahlen muss, immer noch mehr übrig bleibt als jedem einzelnen Familienmitglied, das man verlassen hat. Was die Kinder anlangt, ist die Frau sowohl während der Ehe als auch nach einer Scheidung nach wie vor die Hauptfigur. Väter, die tatsächlich die volle Obsorge für die Kinder wollen, weil sie der Meinung sind, dass sie besser dafür geeignet sind, sie groß zu ziehen, sie zu ernähren und in die Schule zu bringen, die kann man ja an den Fingern einer Hand abzählen; meistens geht es doch den Männern nach einer Scheidung um Besuchsrechte.
Und die gemeinsame Obsorge für Kinder...?
... gibt es nicht. Entweder man trennt sich oder eben nicht. Lebt man zusammen, kann man sich gemeinsam um das Kind kümmern; aber wie soll derjenige, der den geringeren Kontakt hat, mehr wissen als derjenige, der das Kind täglich sieht? Trennung bedeutet, dass das Kind zwangsläufig mit einem Elternteil einen innigeren Kontakt hat als mit dem anderen. Daher kann man leider nur ableiten, dass der andere auch nicht die volle Verantwortung für die Entscheidungen haben kann.
Geht's den Frauen in der Gesellschaft besser als vor zehn Jahren?
Ich finde, es geht den Frauen immer schlechter, weil eben heutzutage gesamtgesellschaftliche Entwicklungen die Schwächeren - und damit überproportional Frauen - treffen. Die heutige schwierige Arbeitsmarktsituation trifft Frauen ungleich stärker; und insofern ist es durchaus möglich, dass die Scheidungszahlen vielleicht sogar in einiger Zeit rückläufig sein werden, was ich aber keineswegs als einen Fortschritt oder ein Wiedererstarken des Familiengedankens empfinden würde, sondern einfach als ein Zeichen, dass sich Frauen die Scheidung immer weniger werden leisten können. Derzeit findet man jedenfalls wenig ermutigende Signale für eine Verbesserung der sozialen oder rechtlichen Lage der Frauen. Leider!
Buch-Tipp
Helene Klaar, "Scheidungs-Ratgeber für Frauen", Linde Verlag, ISBN 3709300002
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