Richard Stallman im Gespräch

Der Evangelist der freien Software

Er gilt als die streitbarste und unermüdlichste Stimme beim Einsatz für allgemein zugängliche Software: Richard Stallman. Ein schadhafter Kopierer von Xerox war für den Programmierer Auslöser für die Entwicklung des freie Betriebssystems GNU.

Richard Stallman ist der Vater der Freien Software: 1984 legte er den Grundstein für das freie Betriebssystem GNU, wenig später gründete er die Free Software Foundation. Beim diesjährigen Prix Ars Electronica erhielt die Free Software Foundation eine Auszeichnung in der Kategorie Digital Communities. Bis heute ist Stallman die streitbarste und unermüdlichste Stimme der Freien Software Bewegung.

Quellcode und Kommerz

Begonnen hatte alles mit einem Drucker - einem brandneuen Laserdrucker, den Xerox dem Artificial Intelligence Laboratory des Massachusetts Institute of Technology spendete. Als Stallman, der damals im AI Lab arbeitete, einen Fehler beheben wollte, musste er feststellen, dass kein Sourcecode für die Druckersoftware verfügbar war.

Für Xerox ging es um wichtige Geschäftsgeheimnisse. Die wenigen, die Zugang zum Quellcode hatten, waren zum Stillschweigen verpflichtet. Der Elite-Programmierer Richard Stallman hatte ein Schlüsselerlebnis: Plötzlich war er nicht mehr in der Lage das zu tun, was er normalerweise tat wenn ein Softwarefehler auftrat - ihn einfach beheben.

Bis Ende der 1970er Jahre ließen die hauptsächlich akademisch geprägten Programmierer die von ihnen geschriebene Software frei zirkulieren. Als Bill Gates 1976 begann, Software zu verkaufen, die er auf Universitätsrechnern entwickelt hatte, löste das große Empörung aus. Doch der Siegeszug der kommerziellen Software war nicht aufzuhalten, und diese war nicht nur durch Lizenzen geschützt, sie wurde auch ohne den für Menschen nachvollziehbaren Quellcode ausgeliefert.

Das GNU-Projekt
Richard Stallman war mit dieser Entwicklung nicht einverstanden und fing an über Alternativen nachzudenken. Als ersten Schritt, begann er mit der Arbeit an einem Betriebsystem für dessen Entwicklung und Nutzung andere Regeln gelten sollten.

Das GNU-Projekt war geboren, und mit ihm das Konzept der Freien Software. Vier Freiheiten sollten in Zukunft realisiert und verteidigt werden. Das Recht, die Software für jeden Zweck einzusetzen, die Software zu kopieren und weiterzugeben, den Sourcecode einzusehen, die Software zu verändern und auch Veränderungen wieder weiterzugeben, sollte für alle Zeiten garantiert sein.

In einem Punkt wollten die Entwickler des entstehenden GNU-Systems vom Design bestehender UNIX-Distributionen abweichen. Statt eines monolithischen Kernels der alle wesentlichen Funktionen enthält, sollte ein schlanker Mikrokernel mit einer Herde von Begleitprogrammen entstehen. Der ambitionierte Entwurf - "GNU Hurd" - konnte bis heute nicht realisiert werden.

UNIX, GNU und Linux
Linus Torvalds veröffentlichte seinen 1991 für die PC-Plattform geschriebenen Linux-Kernel unter der Lizenz des GNU-Projekts. Es sollte sich als großer Glücksfall erweisen. Die Freie Software-Bewegung erfuhr gigantischen Zulauf.

Richard Stallman nennt das freie Betriebssystem, das alle Welt unter dem Namen Linux kennt GNU/Linux. Denn Linux bezeichnet eigentlich nur den Kernel. Das Gesamtsystem folgt dem Design des GNU-Projekts.

Als kürzlich in Australien eine Diskussion um höhere Schutzgebühren für die Marke Linux entbrannte, empfahl Richard Stallman den Namen GNU zu verwenden. Denn meistens, so seine Argumentation, ist ohnehin hauptsächlich GNU drin wo Linux draufsteht.

Die Open-Source-Bewegung
Richard Stallman hat auf seinen Kreuzzug gegen proprietäre Software gelernt, auch längere Durststrecken zu überdauern. In der Zeit vor dem großen Linux-Hype wurde sein Modell der Softwareentwicklung eher belächelt. Mit dem Erfolg kamen die Einladungen. Richard Stallman bestreitet seinen Lebensunterhalt heute hauptsächlich aus Redehonoraren. Unermüdlich reist er um die Welt um seine Botschaft zu verkünden.

Die Grundsatztreue die er dabei vertritt, wurde immer wieder als unflexibel und realitätsfremd kritisiert. Unter dem Schlagwort "Open Source" versammelten sich ab 1998 viele, die den Erfolg von Linux als zukunftsweisend beurteilten, der strengen Lehre der Free Software Foundation aber nicht folgen wollten.

Richard Stallman würdigt den Beitrag der Programmierer, die unter dem Label "Open Source" arbeiten. Er legt aber Wert darauf, dass klar unterschieden wird. Auch wenn die meiste Open Source Software auch den Kriterien für Freie Software genügt, geht es ihm um die Gedankenwelt, die dahinter steht.

Der Ansatz der Open-Source-Bewegung gleicht dem, den etwa Microsoft vertritt, meint Richard Stallman. Beide begründen ihr Entwicklungsmodell hauptsächlich mit der Qualität der Software, die dabei entsteht. Qualitativ hochwertige Software ist für Richard Stallman ein schöner Nebeneffekt, doch sein Konzept umfasst mehr. Die vier Freiheiten die er verwirklicht sehen möchte, haben umfassende Konsequenzen für die Produktion, Verteilung und Benutzung von Software. Der Begriff Open Source greift für ihn bei weitem zu kurz.

In jüngster Zeit sind es vor allem Themen wie Trusted Computing und Softwarepatente, die Stallman beschäftigen. Ernste Bedrohungen, die das Erfolgsmodell "Freie Software" gewissermaßen durch die Hintertür gefährden könnten.

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Veranstaltungs-Tipp
Im Rahmen der Prix Ars Electronica Foren finden in Kooperation mit der Ö1 Sendung "Matrix" zwei Konferenzen zum Thema "Commons&Communities - Social Life in the Digital Age" statt. Moderiert werden die Veranstaltungen von den "Matrix"-Redakteurinnen Ina Zwerger und Sonja Bettel.

Prix Ars Electronica Foren, Konferenz "Net Vision" - die Vision eines demokratischen offenen Netzes, Montag, 5. September 2005, 10:30 Uhr bis 11:30 Uhr, Brucknerhaus Linz.

Prix Ars Electronica Foren, Konferenz "Digital Communities" - Antriebskräfte digitaler Gemeinschaften, Dienstag, 6. September 2005, 10:30 Uhr bis 11:30 Uhr, Brucknerhaus Linz.

Mehr dazu in oe1.ORF.at

Links:
The Free Software Foundation
The GNU Operating System
Richard Stallman
matrix.ORF.at
futurezone.ORF.at

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