EU-Kandidat mit kleinen Fehlern

Quo vadis, Kroatien?

Kroatien will 2009 der EU beitreten. Das Wachstum ist hoch, die Inflation unter Kontrolle, und die Regierung in Zagreb ist um die nötigen Reformen bemüht. Dennoch beklagen viele westliche Investoren nach wie vor Mängel an der Rechtsstaatlichkeit.

Peter Hasslacher im Gespräch mit Christian Wehrschütz

Noch vor Beginn der österreichischen EU-Präsidentschaft im Jänner 2006 erwartet der kroatische Ministerpräsident Ivo Sanader, dass es zwischen der EU und seinem Land zu Beitrittsverhandlungen kommen wird. Die dafür nötigen Reformen gingen jedenfalls zügig voran. Das Wachstum sei hoch, die Inflation unter Kontrolle.

Dennoch sind in Kroatien fast 14 Prozent der Bevölkerung arbeitslos. Auch westliche Investoren - darunter viele Österreicher - beklagen nach wie vor erhebliche Mängel an der Rechtsstaatlichkeit. Denn Kroatien - so wird argumentiert - sei noch immer von den Folgen der kommunistischen Misswirtschaft und des Jugoslawien-Krieges gezeichnet.

Hoteliers verärgert

An dem Aufschwung im Fremdenverkehr, der 20 Prozent der Wirtschaftsleistung Kroatiens ausmacht, haben Österreicher als Gäste, aber auch als Investoren großen Anteil. So finanziert die Hypo-Alpe-Adria-Bank etwa Projekte im Wert von mehr als 170 Millionen Euro. Größtes Unternehmen ist die Valamar-Holding, an der österreichische Investoren beteiligt sind. Sie verfügt über 17.000 Betten und über Campingplätze für 25.000 Gäste.

Um die Frage des Eigentums an touristischen Flächen sind nach einem neuen Gesetzesentwurf der Regierung jetzt aber grobe Unstimmigkeiten entstanden, die Georg Eltz von der Valamar-Gruppe so beschreibt: "Im Zuge des Privatisierungsprozesses sind die Hotels und die zuordenbaren Grundstücke in das Eigentum der Hotelunternehmen übergegangen. Nach Rechtsauffassung des kroatischen Staates sind diese Ländereien - also Campingplatze, Sportanlagen, Parks oder Parkplätze rund um die Hotels - wahlweise Eigentum der Gemeinden oder auch des kroatischen Privatisierungsfonds. Es geht nun also nicht nur darum, dass man uns jetzt noch einmal eine Entschädigung für diese Nutzung dieser Flächen abverlangen möchte, sondern in manchen Fällen geht es tatsächlich darum, die Flächen wegzunehmen“.

Erschwerte Bedingungen bestätigt

Seitens des Tourismusministeriums wird beschwichtigt. Die Hotelbetriebe müssten zwar für diese Flächen bezahlen, würden aber ein Vorrecht auf die zu erteilenden Konzessionen erhalten, heißt es in Zagreb. Es wird aber nicht bestritten, dass es Bestimmungen gibt, die Betrieben das Leben in Kroatien nicht gerade erleichtern. Eine beschreibt der Salzburger Wilfried Holleis, der in Rovinj und Opatija zwei Hotels besitzt:

"In Österreich ist es so, dass pro Hotel eine Konzession erwirkt werden muss, und man zahlt dann halt einen kleinen Beitrag. In Kroatien wird z. B. pro Fernseher gerechnet, und man kommt dann auf astronomische Summen. In Miramar zahlen wir bei 100 Zimmern 1.700 Euro pro Monat an Rundfunk- und TV-Gebühren“. Holleis führt seit fünf Jahren einen juristischen Grabenkrieg gegen die kroatische Tabakfabrik, die ihm das Eigentum an seinem Hotel in Rovinj streitig macht. Doch das - so Holleis - ist nicht das einzige Problem: "Wir bemühen uns selber seit Jahren, einen Golfplatz in Istrien zu errichten, aber in einem Land, wo es noch schwierig ist im Grundbuch nachschauen zu können, wem was gehört, kann man auch keinen Golfplatz bauen“.

Weitere Defizite

Aber nicht nur Grundbuch und Justizwesen zählen zu den großen Reformen, die Kroatien auf dem Weg Richtung EU noch bewältigen muss, meint der österreichische Handelsdelegierte in Zagreb, Peter Hasslacher. Auch die Landwirtschaft ist höchst reformbedürftig. So entspricht nur die Hälfte der produzierten Milch europäischen Standards. Die bewirtschafteten Flächen sind zu klein, die Produktivität zu gering und die Subventionen zu hoch.

Einen Umbruch werden auch viele Staatsbetriebe zu bewältigen haben. Die Reform der defizitären Eisenbahn ist mit Unterstützung der Weltbank bereits angelaufen. Aber auch die Schiffswerften, die Stahl- und Aluminiumindustrie sowie die landwirtschaftlichen Kombinate, die bei den Staatsbetrieben eine große Rolle spielen, müssen reformiert werden.

Zu verbessern hat Kroatien aber auch seine Exportleistungen, wie der Direktor der Weltbank in Zagreb, der Inder Anand K. Seth, betont: "Die kroatischen Exporte decken nur 49 Prozent der kroatischen Importe, erst im Vorjahr wuchsen die Exporte zum ersten Mal stärker als die Importe. Es gibt erst einige wenige dynamische Sektoren, wie Hochtechnologie, Computer, optische und medizinische Geräte, die von einem kleinen Niveau aus sehr rasch wachsen“.

Ausnahme Varazdin

Zu den positiven Beispielen zählt auch die freie Wirtschaftszone in Varazdin. Sie ist 600.000 Quadratmeter groß und bietet ausländischen Investoren nicht nur beträchtliche zolltechnische Vorteile, weiß ihr Initiator Slobodan Mikac: "Man hat auch steuerliche Vorteile, weil man in der freien Zone von der Körperschaftssteuer bis zu fünf Jahre und bis zur Höhe der Investition ganz befreit ist; ein weiterer Vorteil ist, dass man mehrwertssteuerfrei in der Zone arbeiten kann“.

Bis Jahresende werden 1.300 Personen in dieser Zone arbeiten, bis zum Vollausbau Ende 2007 sollen es bis zu 3.500 sein. Waren im Wert von mehr als 500 Millionen Euro dürften schließlich exportiert werden, schätzt Mikac, der sich auch intensiv bemüht, mit Österreich, Slowenien und Ungarn bei der Ausbildung von Fachkräften zusammenzuarbeiten.

Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit unumgänglich

Anand K. Seth von der Weltbank in Zagreb sieht dennoch immensen Nachholbedarf, was die Wettbewerbsfähigkeit Kroatiens verglichen mit anderen EU-Bewerbern und EU-Ländern anlangt:

"Die Rate der Unternehmensgründungen ist mit 1,5 Prozent pro Jahr die niedrigste unter allen Ländern, die jüngst der EU beigetreten sind oder ihr beitreten wollen. In der Slowakei sind es beispielsweise sechs Prozent. Binnen eines Jahres verlor Kroatien bei der Wettbewerbsfähigkeit zehn Plätze in der weltweiten Rangliste und liegt derzeit auf Platz 79. Das hängt mit dem Verlust an Produktivität in der Wirtschaft zusammen; sie wächst in Kroatien zwischen sechs und sieben Prozent, in Serbien waren es 15 Prozent, in Rumänien 30 Prozent. Ein Faktor sind auch die Arbeitskosten, die höher sind als in Rumänien, Bulgarien, der Slowakei oder Ungarn. Wenn es daher ein Gebiet gibt, dem die Regierung ihre Aufmerksamkeit widmen muss, dann ist das die Wettbewerbsfähigkeit“.

Politische Hindernisse

Mitte März hat die EU die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien verschoben, weil der Fall des mutmaßlichen Kriegsverbrechers General Ante Gotovina noch nicht gelöst ist. Seither hat sich Kroatien sehr bemüht, das Haager Tribunal und die EU zu überzeugen, dass es auch bei diesem letzten noch offenen Fall voll mit dem Tribunal zusammenarbeitet. Ob dieses Bemühen nun im Herbst durch die Aufnahme von Beitrittsgesprächen belohnt wird, ist offen. Sicher ist aber, dass die Regierung in Zagreb noch viele und weit schwierigere innenpolitische Reformaufgaben zu lösen hat, um Kroatien reif für die EU zu machen.

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Links
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