Vergessener Krisenherd ohne Hoffnung?

Konfliktregion Norduganda

Seit fast zwei Jahrzehnten überzieht die selbst ernannte "Widerstandsarmee Gottes" den Norden Ugandas mit Krieg. Das Volk der Acholi vegetiert in Flüchtlingslagern. Und es besteht wenig Hoffnung auf Besserung der Lage.

Der Arzt Pido Bongomin über die Zustände in Gulu

Nach außen hin scheinen die Fronten klar: Ein grausamer Kultführer raubt in Norduganda Kinder und drangsaliert die Bevölkerung, unterstützt aus dem terroristenfreundlichen Sudan. Ugandas Präsident Museveni andererseits kämpft - als politischer Musterknabe Afrikas - für Freiheit und Demokratie. Tatsächlich aber, sagen Beobachter, betreibt Museveni die Vernichtung eines ganzen Volkes.

Krieg und Nutzen

In Norduganda, an der Grenze zum Sudan, tobt seit fast 20 Jahren ein im Ausland vergessener Bürgerkrieg zwischen der LRA, der "Lord’s Resistance Army“ des Acholi-Stamms, und Regierungstruppen. Die von dem charismatischen Bauernsohn Joseph Kony geführte, lange vom Sudan unterstützte, militärisch aber unbedeutende LRA (derzeit maximal 500 Kämpfer) opponiert seit 1986 mit teils religiöser Begründung gegen die Herrschaft Musevenis. Sie hat Tausende Kinder zwangsrekrutiert und grausame Massaker verübt.

Durch geschickte Dämonisierung Konys und seiner Verbindungen zum Khartumer Regime ist es Ugandas Staatschef Museveni gelungen, sich in die Anti-Terror-Phalanx der USA einzureihen; darüber hinaus nutzt er den Konflikt, das als selbstbewusst und bisweilen kriegerisch geltende Volk der Acholi, das mehrfach in Kampala herrschte, als politischen Faktor zu eliminieren.

Von Gewalt umzingelt

Mitte der 90er Jahre hat die Armee die gesamte Dorfbevölkerung der Acholi (insgesamt 1,5 Millionen Menschen) unter dem Vorwand, sie schützen zu wollen, in "Vertriebenenlagern“ interniert, wo sie seitdem von der internationalen Gemeinschaft durchgefüttert wird. Herausgerissen aus seinen Dorfgemeinschaften und abgeschnitten von seinen fruchtbaren Feldern vegetiert das Volk der Acholi - physisch, sozial und kulturell verfallend - in den Lagern dahin. Täglich kommt es zu Gewaltverbrechen und Übergriffen von Soldaten. Zehntausende Acholi sterben Jahr für Jahr an unbehandelten Krankheiten und den Folgen von Mangelernährung; die Aids-Rate in den Lagern liegt fünfmal so hoch wie in Uganda insgesamt.

Schleichender Völkermord

Lokale Kritiker werfen Präsident Museveni vor, sich um ein Ende des Krieges in Norduganda gar nicht zu bemühen. Sie bezeichnen die seit über einem Jahrzehnt andauernde Internierung der Acholi als schleichenden Genozid, der das Volk dezimiere und seine soziale wie kulturelle Kohärenz vernichte - eine Menschenrechtsverletzung und humanitäre Katastrophe ähnlichen Ausmaßes wie die in Darfur; nur werde sie mangels spektakulärer Bilder von der Weltöffentlichkeit bislang kaum wahrgenommen.

Nur Frieden heilt Trauma

Um ein Ende des Kriegs in Norduganda bemüht sich vor allem die in Uganda starke katholische Kirche. Erzbischof Steven Odama versucht als Motor einer Friedensinitiative religiöser Führer zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln. Frei von religiösen Scheuklappen unterstützt er auch traditionelle Mechanismen der Konfliktbewältigung: Die Gegner sollen begangenes Unrecht zugeben. Statt juristischen Gezerres und Strafe wird in uralten Ritualen Versöhnung zelebriert und zementiert. Die Bereitschaft zu Reue, Sühne, (symbolischem) Schadenersatz und Rückkehr in die Gemeinschaft spielen eine weit größere Rolle als die tatsächliche Implementierung von Sanktionen.

Dessen ungeachtet sind brüchige Lagergemeinschaften nur begrenzt in der Lage, Tausende traumatisiert aus dem Busch zurückkehrende Kindersoldaten sozial zu re-integrieren. Auch deshalb betreibt die lokale "Caritas“ ein psychologisches Betreuungszentrum für solche Kinder, die oft Unvorstellbares erlebt haben. Obwohl das Zentrum vom deutschen katholischen Hilfswerk "Misereor“ massiv unterstützt wird, kann es sich nur um einen Bruchteil der Hilfe suchenden Kinder kümmern.

Und der Westen spielt mit ...

Politisch steht dem Frieden in Norduganda ein bizarres Geflecht (auch internationaler) Interessen entgegen. Um den Konflikt weiter am Köcheln zu halten, lässt z. B. Präsident Museveni jetzt den "International Criminal Court“ gegen seinen Widersacher Joseph Kony ermitteln.

Obwohl sich Museveni im Kongo auch einen Namen als militärischer Abenteurer gemacht hat, spielt der Westen sein Spiel bis heute mit: Die USA liefern Waffen, die UN Nahrungsmittel für die Internierungslager. Und nur verhalten protestiert das Ausland, wenn Museveni Kritiker wie den jungen Journalisten Andrew Mwenda kurzerhand ins Gefängnis wirft.

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