Visuelle Inspirationen
Musik und Bilder
Grenzüberschreitungen auf allen Gebieten finden derzeit internationales Interesse. Städte wie Paris, Los Angeles oder auch Wien setzen dabei auch auf neue Zugänge zur Malerei. Wer wagt allerdings den ersten Schritt hin zur Bildenden Kunst in der Musik?
8. April 2017, 21:58
Medienüberschreitende Kunst ist angesagt: Im Pariser Centre Pompidou zeigt man "Sons et lumière, im Museum of Contemporary Art, Los Angeles, gibt es "Visual Music und in Wien war kürzlich das Schaffen eines bildnerisch tätigen Komponisten zu sehen "Der Maler Arnold Schönberg. Musiker malen und Maler malen Musik. Warum stellt eigentlich keiner Musik aus, die nach Zeichnungen, Ölgemälden oder Aquarellen komponiert ist?
Komponieren nach Bildern
Ein Beispiel: Brian Ferneyhoughs Zyklus "Carceri dInventione nach den visionären Kupferstichen Giovanni Battista Piranesis. Die Darstellungen labyrinthisch-verzweigter, nur im Geiste ihres Schöpfers existierender Gefängnismauern werden zur Allegorie einer komplexen, schier undurchdringlichen Kompositionsstruktur.
Auch in "La chute dIcare nach dem gleichnamigen Werk Jan Pieter Breughels d. Ä. wird die gestalterische Idee des Bildes auf die Ebene der Musik übertragen: das Titel gebende Geschehen, Ikarus Sturz, ist lediglich Randereignis einer Darstellung ländlichen Lebens vor grandiosem landschaftlichem Hintergrund. Ein weiteres Beispiel ist Wolfgang Rihm, aus dessen Freundschaft mit dem Maler Kurt Kocherscheidt eine Reihe von Orchester- und Kammermusikstücken hervorging.
Auch wenn sich Titel wie "Kolchis, "Antlitz, "In Frage direkt auf einzelne Arbeiten beziehen, liegen die Gemeinsamkeiten zumeist mehr im Ideellen, im Zusammenklang künstlerischen Fühlens und Denkens. Und tatsächlich, bei Betrachtung der weitgehend abstrakten, dabei ungeheuer ausdrucksstarken Kunst Kocherscheidts scheint durchaus eine gewisse Nähe zum spontan-emotionsgeladenen Komponieren Rihms zu bestehen.
Ein klingendes Fresko
Ein anderer Komponist, der wie Ferneyhough gerne in die Schublade eines abstrakten Strukturfetischismus abgelegt wird, vertonte einmal gleich ein ganzes Fresko. Wolfgang Schurigs "Augen-Maß reflektiert das Verhältnis von Skizze und Werk anhand von Tintorettos "Eroberung Konstantinopels im Dogenpalast von Venedig.
Der anfängliche Entwurf erscheint vollendet, und doch soll sich das eigentliche Werk erst daraus entwickeln. In einem langen Prozess werden Details ausgearbeitet, eine neue Form entsteht, die schließlich in ihrer Ausdehnung - sei es im Raum oder in der Zeit - kaum noch mit einem Mal zu erfassen ist. Und doch stand am Anfang bei beiden Künsten die Skizze auf einem weißen Blatt Papier.
Vielfalt der musikalischen Bilder
Möglich wäre auch Morton Feldmans "The Rothko Chapel, eine Musik der ruhenden Klangflächen, geschaffen für einen sakralen, durch Mark Rothko gestalteten Raum oder Luigi Nonos "Omaggio a Vedova, eine Hommage in elektronischen Klängen an einen der bedeutendsten Vertreter der italienischen Avantgarde.
Jüngst entstand Peter Maxwell Davies viertes Streichquartett nach Breughels "Kinderspielen. Die zahlreichen Geschehnisse auf dem Bild im Wiener Kunsthistorischen Museum spiegeln sich hier - manche ganz konkret - in einer ereignisreichen Komposition. Allerdings: Bilder zu zeigen ist kein Problem, aber kann man ihnen auch die zugehörige Musik gegenüberstellen? Immerhin würde sich ein Versuch lohnen. Wer wagt es?
CD-Tipps
Brian Ferneyhough, "Carceri dInvdenzione III u.a., Ensemble Contrechamps, Accord 205772
Wolfgang Rihm, Image - Echo/Bilder - Echo, Michael Gielen, Wergo 66232
Wolfram Schurig, "Ultima Thule, Emilio Pomàrico, Kairos, Erscheinungstermin: Oktober 2005
Morton Feldman, "The Rothko Chapel, Rupert Huber, col legno 20506
Luigi Nono, Ommagio a Vedova, Wergo 62292
Peter Maxwell Davies, Naxos Quartets Nos. 3 and 4, Maggini Quartet, Naxos 8.557397
Links
Centre Pompidou
Kunsthistorisches Museum
Museum of Contemporary Art