Jacques Arndt: Schauspieler, Regisseur, Radiomacher
Der verhinderte Burgschauspieler
Als Kind war es sein größter Wunsch, Schauspieler zu werden. Der ehemalige Leiter der Deutschen Bühne in Buenos Aires und Regisseur von 39 Filmen landete schließlich bei Radio Cultura. Hier sitzt er jetzt noch mit seinen 91 Jahren und schreibt Manuskripte.
8. April 2017, 21:58
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Mit seinen 91 Jahren schreibt und moderiert Jacques Arndt immer noch jede Woche zwei Sendungen bei Radio Cultura in Buenos Aires. Sein größter Wunsch, Burgschauspieler zu werden, wurde dem in Wien geborenen ehemaligen Leiter der Deutschen Bühne in Buenos Aires und Regisseur von 39 argentinischen Filmen jedoch nur im Kindesalter erfüllt.
Theaterkind an der Burg
"Für mich existierte nur Theater, für die Welt habe ich mich nicht interessiert, Politik war mir fremd", erinnert sich Jacques Arndt an seine Kindheit in Wien. Schon damals nimmt ihn die theaterbegeisterte Mutter zweimal die Woche mit ins Burgtheater. Als Schulbub wird Arndt bereits über Vermittlung eines Bekannten Theaterkind an der Burg und spielt Kinderrollen wie den Tell-Knaben, den Lazarillo-Führer oder einen Pagen, der einem gekrönten Haupt die Krone auf einem roten Kissen hinterherträgt. Nach der Mittelschule besucht er die Staatsakademie für Musik und Darstellende Kunst; seine Professoren sind die führenden Schauspieler des Burgtheaters.
Zwei Monate nach Hitlers Einmarsch in Wien - Arndt spielt gerade in einer Burgtheater-Inszenierung von Schillers "Wallenstein" für Schüler auf der Bühne der Volksoper, prügelt ihn eine Horde SA-Männer aus seiner Theatergarderobe. Nach einer abenteuerlichen Flucht an Bord eines Frachters wird er schließlich in Montevideo von Bord gestoßen und bringt sich monatelang als Hafenarbeiter durch.
Zwischenstation Montevideo
Als er durch Zufall in Uruguays Hauptstadt Arbeit für eine deutschsprachigen Rundfunksendung bekam, wird er eines Abends von zwei Unbekannten vom Radiostudio abgeholt. Er fürchtet schon, von der Fremdenpolizei verhaftet zu werden, doch die beiden bringen ihn ins Parlamentsgebäude zu einem Bankett. Er wird an einen Tisch geführt, nimmt Platz, plaudert mit den Tischnachbarn über seine Sendung, über die Geschichten, die ihm zur Musik einfallen, über Wien, über die Nazis.
Schließlich sagt er: "Meine Herren, eigentlich dürfte ich gar nicht an ihrem Tisch sitzen, sie sind sicher bedeutende Menschen." - "Ach, sie kennen uns gar nicht?", wird ihm geantwortet, "ich bin der Innenminister, das ist der Polizeichef, dies ist General 'Sowieso'". Dann - so Arndt darauf - habe er noch weniger das Recht, an diesem Tisch zu sitzen, er sei nämlich illegal in Uruguay. Wenn es nur das sei, so die Antwort, könne ihm geholfen werden. 48 Stunden später hat er seine Papiere. Zwei Jahre bleibt Jacques Arndt noch in Montevideo und macht seine eigene Radiosendung.
Workoholic bis ins hohe Alter
Von Montevideo aus kommt er schließlich nach Buenos Aires und landet an der Freien Deutschen Bühne der argentinischen Hauptstadt, deren Leiter er später wird. Neben seiner Arbeit kommt Jacques Arndt auch in Spanisch sprachigen Theater- und Musical-Inszenierungen immer besser ins Geschäft. Und schließlich auch im beginnenden Fernsehen und im Rundfunk.
Nach Kriegsende ergreift Jacques Arndt kurzfristig einen neuen Beruf, den des Reporters, der über das zerstörte Europa berichten soll. Als Schauspieler und Regisseur hat er in seinem intensiven Arbeitsleben insgesamt 39 argentinische Filme gedreht. Dass er heute noch mit seinen 91 Jahren engagiert ist, obwohl ihm das Gehen in seinem kleinen Haus in einem Vorort von Buenos Aires schon sichtlich schwer fällt, beweist er mit seinen Radiosendungen für Radio Cultura, für die er Woche für Woche seine durchschnittlich 30 mit Filzstift geschriebenen Manuskriptseiten abliefert.
Download-Tipp
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