Die heimischen Zeitungen nach 1945

Österreichs Presselandschaft

Anlässlich des Gedankenjahres 2005 ein Blick zurück: Wie hat sich das Pressewesen nach 1945 entwickelt? Wer waren die Herausgeber der Zeitungen, wer die Finanziers? Wer waren die Journalisten? Was wurde gefördert, was verboten?

Josef Seethaler (ÖAW) zieht einen Vergleich zu heute

Presse, Rundfunk und das Fernsehen sind die Instrumente öffentlicher Meinungsbildung. War der April 1945, als die Alliierten Österreich von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft befreiten, eine Stunde Null in der Entwicklung der Medienlandschaft der Zweiten Republik? Oder: Haben die totalitären Regimes vor 1945 Spuren in der Medienlandschaft der Zweiten Republik hinterlassen?

Österreichs erste Nachkriegs-Zeitungen

Die ersten Zeitungen, die im April 1945 erschienen, wurden von den vier Alliierten selbst herausgegeben: Die "Welt am Abend“ von den Franzosen, die "Weltpresse“ von den Briten, der "Wiener Kurier“, von den Amerikanern - und die "Österreichische Zeitung“ von den Sowjets.

Erst danach wurden als österreichische Medien die Parteizeitungen von SPÖ, ÖVP und KPÖ zugelassen.

Die inhaltlichen Schwerpunkte

Im amerikanischen Sektor entwickelten die Medienbeauftragten für Österreich drei inhaltliche Schwerpunkte, erklärt Oliver Rathkolb, Leiter des Ludwig Boltzmann Institutes für europäische Geschichte und Öffentlichkeit:

"In Form von Austauschprogrammen nahmen die Amerikaner Einfluss auf die Journalistenausbildung. Journalisten wie Hugo Portisch oder Hans Dichant, die davon profitierten, haben nachhaltig die Österreichische Medienlandschaft geprägt".

Ein weiteres Erbe amerikanischer Medienpolitik ist die Zeitung "Kurier“. Als amerikanische Besatzungszeitung "Wiener Kurier“ bereits 1945 gegründet, wurde sie 1954 einem österreichischen Herausgeberteam übergeben.

In einem dritten Medienschwerpunkt gründeten die Amerikaner Rundfunkstationen. Ihr Ziel war eine föderalistische Struktur von Radio- und Fernsehstationen aufzubauen. Doch die Studios der amerikanischen Sendergruppe "Rot-Weiß-Rot“ wurden ab 1955 von der RAVAG und deren Nachfolger ORF nur als Landesstudios weitergeführt.

Die Gründung unabhängiger Zeitungen

Vom ursprünglichen Konzept, den Demokratisierungsprozess über die Gründung von Parteizeitungen voran zu treiben, nahmen die Amerikaner bereits ab 1946 Abstand. Sie versuchten nun, den Einfluss der Parteizeitungen zu reduzieren, indem sie die Gründung unabhängiger Zeitungen, wie der "Salzburger“ oder der "Oberösterreichischen Nachrichten“, unterstützten.

Kontrovers diskutiert wurde die Personalpolitik in den "Salzburger Nachrichten". Bereits 1945 äußerten die Amerikaner Vorbehalte, dem Lizenzwerber Gustav Adolf Canaval die "Salzburger Nachrichten" zu übergeben. Denn Canaval war 1936 bis 1938 Chefredakteur des "Wiener Telegraph“ gewesen und somit ein Medienrepräsentant des Dolfuß-Schuschnigg-Regimes. Unter den Nationalsozialisten im KZ Dachau inhaftiert, konnte er jedoch glaubhaft machen, seine "autoritäre Vergangenheit“ überwunden zu haben.

Canaval wurde Herausgeber der "Salzburger Nachrichten". Die politische Linie des Blattes blieb jedoch umstritten. Redaktionsmitglied Viktor Reimann polemisierte gegen die Nationalsozialisten-Gesetzgebung. Und als Redakteur Alfons Dalma Anfang der 50er Jahre mit rassistischen Formulierungen US-afrikanische Besatzungssoldaten diskriminierte, sei es zu Interventionen auf höchster diplomatischer Ebene gekommen, berichtet Oliver Rathkolb.

Moldens "Die Presse"

Um eine demokratisch orientierte, kritische Öffentlichkeit aufzubauen, bedurfte es der Journalisten. Viele Journalisten waren aber ins Exil gegangen oder in den Konzentrationslagern ermordet worden. Mit diesem Problem sah sich Chefredakteur und Herausgeber Ernst Molden konfrontiert, als er nach Kriegsende die Tageszeitung "Die Presse“ neu gründete. Denn personell sei keine Fortführung der "Neuen Freien Presse“ nach 1945 möglich gewesen, meint Fritz Hausjell vom Institut für Publizistik an der Universität Wien. Finanziert wurde "Die Presse“ von Sponsoren aus der Industrie.

Der Sohn Fritz Molden übernahm 1953 die Zeitung als Chefredakteur und Herausgeber. Anfang der 60er Jahre errichtete er das Heiligenstädter Pressehaus samt Druckerei. Doch die Kreditvergaben für den Bau des Pressehauses von den parteigebundenen Banken sei an den Wunsch gekoppelt gewesen, im Sinne der jeweiligen Partei zu schreiben, erzählt Fritz Molden. Darum habe er 1963 sein Zeitungsimperium an unterschiedliche Interessensgruppen verkauft.

Die Entstehung der Boulevard-Zeitungen

Die Strategie von Fritz Molden konnte die Medienkonzentration am heutigen Zeitungsmarkt jedoch nicht verhindern. Die Ursache dafür sieht Josef Seethaler von der Akademie der Wissenschaften strukturell vorgegeben. Denn bis 1955 hielt die Parteipresse zwei Drittel der Auflagenanteile der österreichischen Gesamtauflage. Diese von den Alliierten ursprünglich favorisierten Zeitungen fanden aber wenig Gefallen bei den Konsumenten.

Als die regionalen Parteizeitungen nach 1956 zusammengelegt wurden, hinterließen sie Marktlücken, in die Boulvardezeitungen mit ihren Bundesländerausgaben vordrangen. Vor allem der "Kurier" und die "Kronenzeitung" nutzen die gebotene Chance und expandierten. Die "Kronenzeitung", so erklärt Josef Seethaler, hatte ihren Marktanteil bereits auf 47 Prozent ausgebaut, noch bevor sich der deutsche Konzern Mediaprint in das Unternehmen gekauft hatte.

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