Die Skizzen einer Sommerreise

Die zerbrechliche Brücke von Mostar

Im Juli 2005 hat die UNESCO auf ihrer Konferenz in Durban in Südafrika die rekonstruierte weiße Brücke, die 1993 zerstört wurde, und die alte Stadt von Mostar in ihre Welterbe-Liste aufgenommen. Viele denken, dass diese Ehre etwas zu spät gekommen ist.

Die Brücke von Mostar wurde am 9. November 1993 in den Kämpfen in Bosnien zerstört. Hätte die UNESCO die Brücke damals unter ihrer Obhut gehabt, wäre die Brücke, so denken viele, nie ein Opfer des Krieges geworden.

Dass diese Rechnung leider doch trügerisch ist, hat sich nicht nur in den letzten Kriegen in Süd-Osteuropa gezeigt.

Meister Hajrudin

Einer Legende nach wollte der Baumeister Hajrudin, Schüler des noch berühmtesten Baumeisters Sinan, am Tag der Eröffnung seiner Brücke 1566 über die Neretva nicht anwesend sein. Aus Angst, dass die weiße, zerbrechliche Brücke, deren zarter Bogen sich mehr als 20 Meter über den schnellen Fluss streckt, nicht die Last der Reisenden tragen könnte, floh Hajrudin am Tag der Eröffnung noch bevor die ersten Übergänger die Brücke betraten.

Der gute Meister irrte sich, denn die Brücke hat Jahrhunderte überlebt und wegen ihrer Schönheit sogar Weltberühmtheit erlangt. An den beiden Ufern des türkisen Flusses standen zwei Türme, in denen die Wächter der Brücke (Mostari) logierten und nach denen die um die Brücke entstandene Stadt ihren Namen bekommen hat - Mostar.

Die verwundbare Stadt

In den letzten "Balkan-Kriegen" am Ende des 20. Jahrhunderts wurde die alte Stadt von Mostar, Hiroschima ähnlich, völlig zerstört. Die alten, schönen Moscheen, die kleinen Werkstätten und Wohnhäuser, die Gebäude aus der k. u. k. Zeit, die sieben Brücken über die Neretva - darunter die weiße Brücke von Hajrudin - , wurden vernichtet.

Gleich nach dem Ende der Kämpfe 1995 haben sich internationale Organisationen vorgenommen, die alte Brücke zu rekonstruieren. Nach langen Vorbereitungen und Recherchen und mit großer Hilfe mehrerer Staaten, wurde die Brücke 2004 feierlich wiedereröffnet.

Die neue, alte Brücke

In den Ländern Süd-Osteuropas kursierte eine Geschichte, die vielleicht nicht wahr ist, aber sie schildert die Geschehnisse so punktgenau, dass es sich lohnt, sie angesichts der Geschichte über Mostar hier zu zitieren. Während der Angriffe auf Dubrovnik hätte ein General auf die Empörung der Weltgemeinschaft so reagiert: "Warum empören sie sich? Wir werden eine noch schönere und noch ältere Stadt nachbauen!"

Obwohl der Wiederaufbau der Brücke nach besten restauratorischen Grundlagen durchgeführt wurde und sogar die fehlenden Steine aus dem ursprünglichen Steinbruch kamen, spürt man, dass die alte Brücke "neu" ist. Die Fugen zwischen den Steinen sind scharf und aus ihnen kann man noch kein Gras herauswachsen sehen. Die Farbe der Brücke und der nebenan stehenden Türme ist hell, natürlich ohne die Einflüsse der Jahrhunderte, die auf der alten Brücke ihre Spuren hinterlassen hatten. Es scheint, als wäre die Rekonstruktion zu "präzise" ausgefallen. Was fehlt, sind die "Fehler", die durch die Zeit entstanden. Man sieht zwar, dass die Brücke schön war - aber es ist eben nicht das Original.

Eine gläserne Variante

Nachdem etwas Wertvolles zerstört ist, kommen immer alle möglichen Vorschläge für einen Wiederaufbau. Um keine Kopie der Brücke zu bauen, schlug eine Architekten-Gruppe aus Zagreb ein sehr originelles Projekt vor:

Sie wollte eine Brücke aus Glas schaffen. Dieses durchsichtige Bauwerk sollte zwar die Form der alten Brücke haben, aber das zerbrechliche Material, so die Architekten, würde die Empfindlichkeit und Zerbrechlichkeit der Schönheit für immer symbolisieren.

Rekonstruktion der alten Schönheit

Die internationale Gemeinschaft und die Verantwortlichen für die Instandsetzung der Brücke haben sich schließlich doch für eine minuziöse und penible Rekonstruktion der alten Schönheit entschieden. Sie hofften vielleicht, dass die Bewohner von Mostar auf diese Weise die traurigen Geschehnisse des Krieges vergeben würden und das Leben in der neu geschaffenen Kontinuität weiterginge.

Übrigens: Im vergangenen Juli ist auch die letzte der sieben zerstörten Brücken von Mostar wiederaufgebaut und zum Verkehr freigegeben worden.

Links
Monitor
Stari Most
UNESCO - Rebuilding of Stari Most and the rehabilitation of the old town of Mostar
Mostar - The Balkans and Europe