Das Schweigen beenden
Hiroshima
Am 6. und 9. August wurden über Hiroshima und Nagasaki amerikanische Atombomben abgeworfen. Rund 200.000 Menschen wurden auf einen Schlag getötet. In den USA und in Japan wird das Ereignis auch 60 Jahre danach höchst unterschiedlich beurteilt.
8. April 2017, 21:58
1941 initiiert US-Präsident Roosevelt das zwei Milliarden Dollar teure "Manhattan Project" zur Entwicklung der Atombombe. Am 16. Juli 1945 wird die Bombe in Alamogordo, in der Wüste von New Mexiko, erfolgreich getestet. Am 26. Juli stellen die Alliierten Japan in der Erklärung von Potsdam ein Ultimatum zur bedingungslosen Kapitulation. Japan weigert sich. Präsident Truman trifft die Entscheidung zum Einsatz der Bombe.
Schwarzer Regen
6. August 1945, 8:15 Uhr: Der amerikanische B52-Bomber "Enola Gay" klinkt über Hiroshima eine Atombombe aus. Die Sprengkraft von "Little Boy" entspricht 20 Kilotonnen TNT. Ein Atompilz breitet sich über Hiroshima aus. Rund eine halbe Stunde später fällt aus der Wolke schwarzer Regen, der eine große Menge radioaktiver Substanzen enthält. Die Bombe hinterlässt ein nie da gewesenes Ausmaß der Zerstörung. Die Temperatur im Epizentrum erreicht geschätzte 6000 Grad. Dachziegel und Glas schmelzen, Gegenstände hinterlassen eingebrannte Schatten, Kimonomuster brennen sich in die Haut ihrer Trägerinnen. Menschen verbrennen. Hiroshima ist dem Erdboden gleichgemacht.
Am 9. August werfen die Amerikaner über Nagasaki eine zweite Atombombe ab: "Fat Man", deren Explosionskraft 22 Kilotonnen TNT entspricht. Hauptbestandteil: Plutonium 239. Am 15. August kapituliert Japan. Der Pazifische Krieg ist beendet.
Tabuisierung und Diskriminierung
Rund 200.000 Menschen in Hiroshima und Nagasaki sterben sofort, rund eine halbe Million ist von den Spätfolgen der radioaktiven Verseuchung betroffen. Die Diskriminierung der Hibakusha, der Überlebenden der atomaren Katastrophe, setzt sofort nach den Abwürfen der Atombomben ein. Die Strahlenkrankheit gilt als ansteckend, aufgrund der Befürchtung, dass die Opfer behinderte Kinder zur Welt bringen könnten, können die meisten von ihnen nicht heiraten. Viele Opfer verschweigen daher die Tatsache, dass sie von den Atombomben betroffen waren - und tun es zum Teil bis heute.
Während der amerikanischen Besatzungszeit bis 1952 dürfen die Atombomben nicht erwähnt werden. Der Press Code der US-Besatzungsbehörden und die strenge Zensur lassen nur stark eingeschränkte Informationen zu. Danach seien es politische Opportunitäten gewesen, weshalb nicht über die Atombomben gesprochen worden sei, meint der deutsche Japanologe Florian Coulmas.
Umstrittene Entscheidung
In den USA hält sich bis heute hartnäckig die These, dass die Atombomben das Ende des Krieges beschleunigten und Hunderttausende vor dem Tod bewahrten. Und das, obwohl es zahlreiche Dokumente gibt, aus denen hervorgeht, dass die Bomben nicht notwendig waren, um den Krieg vorzeitig zu beenden.
Viele Faktoren haben für den Einsatz eine Rolle gespielt. Am wichtigsten dürfte die These gewesen sein, die der britische Physiknobelpreisträger P. M. S. Blackett 1949 formuliert hat: "Der Abwurf der Atombomben war nicht so sehr die letzte Kriegshandlung des Zweiten Weltkriegs, sondern die erste große Kriegshandlung im Kalten Krieg mit Russland."
Mehr zur atomaren Bedrohung in oe1.ORF.at
Download-Tipp
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Buch-Tipps
Florian Coulmas, "Hiroshima - Geschichte und Nachgeschichte", Beck'sche Reihe, ISBN 3406527973
Mehr dazu in oe1.ORF.at
Gar Alperovitz, "Hiroshima. Die Entscheidung für den Abwurf der Bombe", übersetzt von Jürgen Bauer, Fee Engemenn, Suzanne Annette Gangloff, Cornelia Langendorf, Annegrete Lösch und Edith Nerke, Hamburger Edition, ISBN 3930908212
Hör-Tipp
In "Betrifft Geschichte", Montag, 1. August bis Freitag, 5. August 2005, jeweils um 16:55 Uhr, nimmt sich Mitchell Ash, Professor für Geschichte, des Themas Hiroshima an.
TV-Tipp
ORF, 3sat und ARTE bringen bis zum 11. August 2005 einen ausführlichen Programmschwerpunkt mit bewegenden Dokumentationen und dramatischen Filmen.
Mehr dazu in 2005.ORF.at