Entnazifizierung in Österreich
Das Internierungslager Glasenbach
Wie sollte man bei Kriegsende mit den Nationalsozialisten umgehen? Die Alliierten entschieden sich, Kriegsverbrecher, SSler und NSDAP-Funktionäre in Internierungslager zu sperren: Diese Entnazifizierungslager sind mangels Akten aber spärlich erforscht.
8. April 2017, 21:58
Wie sollte man bei Kriegsende mit den Nationalsozialisten umgehen? Die Alliierten entschieden sich, Kriegsverbrecher, SSler und NSDAP-Funktionäre in Internierungslager zu sperren: Diese Entnazifizierungslager sind mangels Akten aber spärlich erforscht.
Die Internierung war als Sicherheitsmaßnahme gedacht. Diejenigen, die aktiv ins NS-System involviert waren, sollten von jeglichem gesellschaftlichen Einfluss radikal ausgeschlossen werden.
Da es bei keiner NS-Organisation einen Beitrittszwang gab und ein Aufstieg in einer solchen Organisation bis zur mittleren und höheren Ebene nur aufgrund freiwilligen Engagements erreicht werden konnte, musste angenommen werden, dass diese Personen mit der verbrecherischen Ideologie übereinstimmten, sagt Kathrin Meyer, Autorin des Buches "Entnazifizierung von Frauen".
Lager Glasenbach
Das CIC - das Counter Intelligence Corps - erließ deshalb den automatischen Arrest: Personen, die aufgrund ihrer Position, ihres Ranges oder ihrer Kenntnisse versuchen könnten, die Naziorganisationen aufrechtzuerhalten oder wiederzubeleben, wurden verhaftet. Es mussten eigene Anhaltelager eingerichtet werden. Das größte in Österreich war das "Lager Glasenbach".
Bis zu 12.000 Menschen waren im Lager Glasenbach inhaftiert. Offiziell hieß das Lager Marcus W. Orr, nach einem amerikanischen Offizier. Das Lager lag nicht, wie zu vermuten ist, in der Gemeinde Elsbethen-Glasenbach, sondern in der heutigen Alpensiedlung, im Süden von Salzburg - auf der gegenüberliegenden Salzach-Seite.
Das Lager Glasenbach bestand aus 20 bis 30 Baracken. Es war mit Stacheldraht eingezäunt und von Wachtürmen umgeben. Die sieben Compounds (Abteilungen) waren u. a. für Frauen, für die Waffen-SS oder für Kriegsverbrecher abgeriegelt.
Wenig Material über die Täter
"Bislang wurde entweder zu wenig geforscht oder es sind gar keine Akten vorhanden. Ich weiß nicht, ob sie vernichtet wurden oder nicht. Aber es ist schon merkwürdig, dass über KZ sehr vieles aufgearbeitet wurde und immer war etwas da. Aber wenn´s um Täter geht, stößt man auf eine Lücke. Da gibt es die Mutmaßung, dass es sich um einen Täterschutz handelt", sagt der Historiker Gert Kerschbaumer. Die Amerikaner wollten beispielsweise auch Auskunft über geraubte Kunstwerke haben.
Kerschbaumer hatte bereits mit neuen Fakten für das Buch "Meister des Verwirrens. Die Geschäfte des Kunsthändlers Friedrich Welz" im Czernin-Verlag Aufsehen erregt. Friedrich Welz gehörte übrigens zur Prominenz im Internierungslager Glasenbach - einem Lager, das die Gefangenen selbst verwalteten.
Die Strategie der Amerikaner ist heute umstritten. Denn es gab so gut wie keine Umerziehungsmaßnahmen: "Das Problem war, dass diese Leute, die seit Jahren in einem bestimmten ideologischen Denken gefangen waren, sich als unschuldig durch die Niederlage bedingt in Haft sahen", sagt der Historiker Ernst Hanisch. "Eine selbstkritische Reflexion über die verflossene NS-Zeit war nicht möglich."
Download-Tipp
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Buch-Tipps
Gert Kerschbaumer, "Meister des Verwirrens. Die Geschäfte des Kunsthändlers Friedrich Welz", Czernin-Verlag, ISBN 3707600300
Kathrin Meyer, "Entnazifizierung von Frauen. Die Internierungslager der US-Zone Deutschlands 1945-1952", Metropol Verlag, ISBN 3936411247