Reformballett aus Wien
Don Juan und die Revolution
Hätte man die Veränderung in den Künsten, die um 1760 deutlich wurden, schon als Vorboten der Großen Revolution von 1789 deuten können? Im Tanz gab es sie mit Angiolini und Calzabigi, die Glucks "Don Juan choreografierten.
8. April 2017, 21:58
In den Künsten gab es um 1760 schon deutliche Vorboten der Großen Revolution von 1789. In der Musik und im Tanz gab es damals bedeutende Veränderungen. Am Anfang stand ein Ballett von Angiolini und Calzabigi mit der Musik des Ritters von Gluck: "Don Juan.
Tanz und Revolte
Waren es bisher Allegorien und Mythen, die "dargestellt wurden, treten nun die Geschichten von Individuen in den Mittelpunkt, und diese sind nicht mehr deutlich erkennbare Helden oder Dämonen, sondern Menschen mit selbst verschuldeten Schicksal.
So schilderten etwa Angiolini, Calzabigi und Molière den Don Juan nicht als den "Weiberhelden. Jean Anouilh hat ihn (1955) gar als Typen erkannt, der ständig vor sich auf der Flucht ist, um sich nicht bewähren zu müssen.
Aber zurück in die Hälfte des 18. Jahrhunderts. Da kamen der Ballettmeister am kaiserlichen Burgtheater, Gasparo Angiolini, und der Komponist Christoph Willibald Ritter von Gluck auf die Idee, die Geschicke des legendären Don Juan als Ballett zu gestalten. Der dritte im Bunde war Raniero di Calzabigi, der ein Jahr später, 1762, der Librettist der ersten - später so genannten Reform-Oper wurde.
Die Reformation des Tanzes
Der Ballettmeister am französischen Hof ließ 1760 seine "Briefe über den Tanz und die Ballette veröffentlichen, in denen er eine Individualisierung der Charaktere der Ballett-Bühne verlangte:
An Stelle mechanischer und mathematischer Regelmäßigkeit setze man das Natürliche und psychologisch Vielfältige. Der stereotypen Ausprägung der Kostüme setze man durch die Abschaffung der Masken ein Ende. Die Masken zu verbrennen, die Reifröcke zu vernichten, Geschmack an die Stelle von Routine zu setzen, ein edleres, wahrhafteres, malerisches Kostüm zu zeigen. vor allem Ausdruck im Tanz zu fordern, ist eine Notwendigkeit der Zeit.
Ein Jahr später setzte das Team Angiolini, Calzabigi und Gluck diese Forderungen in die Praxis um. Bei der Uraufführung am 17. Oktober 1761 des "Don Juan ou la Festin de Pierre kam es im Kärntertor-Theater zu Tumulten, weil das Publikum nicht mit diesen theatralischen Effekten und schon gar nicht mit derartigen musikalischen Wendungen gerechnet hatte.
Archetyp Don Juan
Don Juan wurde inzwischen zu einem seelischen (oder gar seelenlosen ) Monster, das es nur auf den Akt der erotischen Eroberung abgesehen hat. Für die Psychoanalyse wurde sein Name zum Pseudonym. Zahlreiche Autoren unserer Zeit von Jean Anouilh bis Max Frisch haben in ihren Theaterstücken der Figur des Don Juan eher eine Opfer-Rolle zuerkannt. Auch Molieres Begegnung mit Don Juan war letztendlich undefinierbar neutral.
Was aber das Tanztheater betrifft, so hat Glucks "Don Juan eine grundlegende Änderung beim Ballet am französischen Hof bewirkt und damit an allen Fürstenhöfen Europas. Eine Erstarrung in formalen Bewegungsabläufen in immer gleichen Kostümen und pseudo-antiken Rollen-Spielen hatte gedroht. Mit "Don Juan glückte der Durchbruch im Ballett und ein Jahr später in der Oper, eigenartigerweise doch wieder mit einem Stoff aus der Antike: mit "Orpheus und Eurydike von Christoph Willibald Ritter von Gluck.